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Die Lage der Engländer in Ostindien war bis zum Eintreffen von Hülfstruppen im Jahre 1782 eine sehr kritische gewesen: sie hatten fortwährend gegen überlegene feindliche Streitkräfte zu kämpfen gehabt. Gleichzeitig von den Franzosen und dem großen Heere Hyder-Alis bedroht, konnten sie letzterem 1781 nur einige englische Bataillone und eingeborene Truppen in ungenügender Stärke entgegenstellen, die den übermächtigen Angriffen Tippo Saibs, der die Reiterschaaren seines Vaters mit Todesverachtung zum Kampf führte, nicht zu widerstehen vermochten und trotz hervorragender Tapferkeit bei Conjeveram entscheidend geschlagen wurden. Hyder-Ali drang siegreich vor und erstrebte, sich gegen Pondichery wendend, die Vereinigung mit der französischen Armee.

Um dem vorzubeugen faßte der zum Oberbefehlshaber ernannte englische General Sir Eyre Cote am 1. Juli 1781 den mehr wir kühnen Entschluß, trotz seiner numerischen Schwäche den siegreichen Hyder-Ali, der an der Coromandel-Küste etwa 36 englische Meilen von Pondichery bei Cuddalore Stellung genommen hatte, anzugreifen. Dies geschah so überraschend und erfolgreich, daß Hyder-Ali mit großen Verlusten das Feld räumen mußte. Den Sieg verdankte Sir Cote vor allem dem Heldenmuth des 73. (Hochländer) Regiments, das er persönlich mit klingendem Spiele zum entscheidenden Sturm vorgeführt hatte. Die Hochlandpfeiffer spielten dabei so wacker zum Waffentanz auf, daß der General ihnen zurief: "Well done my brave fellow you shall have a sett of silver pipes for this." 1)

Das Regiment — jetzt 2tes Bataillon der berühmten Black watch — erhielt zum dauernden Gedächtniß jenes Ehrentages die versprochenen Silberpfeifen mit einer sehr anerkennenden Inschrift. Der Feind ließ über 3000 Todte und Verwundete auf dem Schlachtfelde, aber auch die Engländer hatten große Verluste, die sie nicht zu ersetzen vermochten, während Hyder-Ali sein Heer leicht wieder verstärken konnte; sie zogen sich deshalb auf ihren Hauptwaffenplatz Madras zurück, dort den längst versprochenen Verstärkungen britischer und kurhannoverscher Truppen sehnlichst entgegensehend.

Glücklicherweise ward noch die französische Hauptstadt Pondichery genommen und der plötzliche Tod Hyder-Alis verzögerte die Kriegführung seines Sohnes Tippo Saib, der sich jedoch als unversöhnlichster aller Feinde Englands erweisen sollte. In der kleinen Festung Cuddalore behaupteten sich die Franzosen unter Marquis von Bussy, während, wie wir gesehen haben, zur See der tapfere Admiral Suffrein dem englischen Geschwader unter Sir Hughes mit wechselndem Erfolg die Herrschaft streitig machte und englische Truppentransporte sehr gefährdete. Die ersten Abtheilungen unter Oberstlieutenant Reinbold wurden deshalb bei ihrem Eintreffen in Madras mit Jubel begrüßt. 

Fort St. George in Madras

Nach der so langen und oft schweren Seefahrt hatte schon das erste Auftauchen Ceylons und der Anblick der wunderbar schönen Inselküste die Söhne Niedersachsens, die nur Ebene und Hügelland kannten, mit staunender Verwunderung erfüllt; in Madras fanden sie sich in eine ganz neue Welt versetzt: die Natur der Tropen mit ihrer üppigen Pracht, die Sonne des Südens, unter der ihnen ganz andere Menschen mit ganz anderer Sprache und ganz anderen Sitten entgegentraten, ließ Indien wie ein Märchenland erscheinen. Alles war seltsam neu und überraschen. Auch der Feind, den sie bekämpfen sollten, war zum Theil ganz besonders geartet. Zwar fanden die alten hannoverschen Soldaten auch unter dem Himmel Indiens im Felde die Franzosen wieder, aber an der Seite ihrer von früher bekannten Gegner fochten unter Tippo Saib wilde Krieger, Reiter mit Wurfspeeren und Kettenpanzern, ganz ähnlich ausgerüstet und ähnlich kämpfend, wie die muhamedanischen Heerschaaren, die im Mittelalter den Kreuzfahrern entgegentraten.

Auch die englische Armee bestand zu 9/10 aus Seapoys von nahezu schwarzer Hautfarbe; diese eingeborenen Truppen waren willig und ausdauernd, auch treu und sehr brauchbar im kleinen Kriege. Im Gefecht zeigten sie sich aber meist minderwerthig und wurden deshalb möglichst in zweiter Linie verwandt, während die Schlachtentscheidung zumeist von den numerisch schwachen europäischen Truppen erkämpft wurde.

Das 15. Regiment blieb behufs seiner Feldequipirung und um sich einigermaßen von der Seereise zu erholen bis Ende des Jahres 1782 in Madras, wo es in Baracken untergebracht ward; vom 2. Januar bis Ende Februar stand es im Lager von Tambouram, von wo es Ende Februar wieder in Madras einrückte. Nur zwei Compagnien unter Major Varenius blieben bei der Feldarmee, welche unter dem General Stewart bei Pondichery stand. Dieser hochverdiente Offizier hatte 1781 in der Schlacht ein Bein verloren, war aber dessen ungeachtet im Dienst geblieben, und galt für einen der energischsten und tüchtigsten Generale der englischen Armee.

Als nun das 78. Regiment von England eingetroffen und im April 1783 endlich auch der zweite Theil des 15. kurhannoverschen Regiments und das ganze 16. Regiment glücklich in Madras angekommen waren, hielt General Stewart seine Streitkräfte stark genug, um eine Entscheidung bei Cuddalore herbeizuführen. Sechs Compagnien der beiden hannoverschen Regimenter unter Obristlieutenant von Wangenheim wurden daher von Madras wieder eingeschifft, um zur englischen Armee vor Cuddalore zu stoßen, wo sie am 8. Juni eintrafen und sich mit der Abtheilung des Majors Varenius vereinigten; die Stärke der acht Compagnien betrug nun 43 Officiere und 800 Unterofficiere und Gemeine.

Die französische Position vor Cuddalore, wie sie von dem Knesebeck (Seite 130) beschreibt, war äußerst vertheidigungsfähig und gut verschanzt; sie lehnte ihren linken Flügel an die See, den rechten an den Banda Pollam Berg, dessen steile Hänge mit dornigem Gestrüpp bewachsen waren; hinter dem linken Flügel lag die Stadt, welche ein einfacher Wall und Graben umgab. Die Stellung war 3000 Schritt lang, der linke Flügel durch tiefe Hohlwege geschützt, lag unter den Kanonen der Stadt; von dem Centrum erstreckte sich im Bereich des Kartätschenschusses der verschanzten Hauptbatterie ein lichtes Palmenwäldchen, welches von Gräben und Verhauen durchschnitten war. Den rechten Flügel deckte ein gleichfalls mit Geschütz besetztes Erdwerk, aber beherrscht von einem vorspringenden Theil des Banda Pollam. Auf etwa 500 Schritt hinter dem Centrum befand sich eine Art Landwehr (Bonds-Hedge genannt), welche eine zweite Vertheidigungslinie bot. — Die Stärke der Franzosen wird auf 5—6000 Mann europäischer Truppen geschätzt, die englische Armee, 10 000 Mann stark, hatte nur 2500 Mann europäischer Truppen; sie lagerte dem Feinde gegenüber, den rechten Flügel an die See, den linken an den Banda Pollam gestützt. Die gegenseitigen Vorposten standen sich sehr nahe.

Nachdem die Transportschiffe am 8. Juni unter dem Schutze der Flotte des Admiral Hughes unweit des rechten Flügels der englischen Stellung Anker geworfen hatten, rückte Abends Obristlieutenant von Wangenheim mit seinem kleinen Corps ein. Am 9. Juni erschien die französische Flotte. Ein Augenzeuge schreibt: "Wir erwarteten täglich ein Seegefecht und ergötzten uns an den beiderseitigen Manövres, bis den 10. Abends der starke Ostwind die Flotten nöthigte sich zu trennen. Am 12. Morgens erhielten die englischen Truppen Befehl, sich zu schnellem Abrücken stets bereit zu halten; am Abend wurden alle Vorposten der schwarzen Truppen durch Europaeer abgelöst. Sämmtliche Grenadier-Compagnien, zusammen 500 Mann traten unter das Commando des Colonnel Cathcart und wurden am linken Flügel vorgeschoben."

Am 13. Morgens formirte sich die Armee in Schlachtordnung; der rechte Flügel unter Oberst Stewart bestand aus dem 78. englischen Regiment, 4 Regimentern Seapoys und einer Batterie von 4 achtzehnpfündigen Kanonen; das Centrum unter dem Obristen Elphinstone bildeten das 101. englische Regiment, 2 Regimenter Seapoys und die Hannoveraner; den linken Flügel unter Obrist Gordon das 73. englische Regiment, das Regiment Madras, 3 Regimenter Seapoys, die Grenadiere und eine Batterie von 6 achtzehnpfündigen Kanonen. General Stuart, der sich am linken Flügel aufhielt, eröffnete früh das Gefecht mit starker Kanonade, die von französischer Seite lebhaft erwidert ward; durch bestimmte Signalschüsse sollte der Befehl zum allgemeinen Sturmangriff gegeben werden. Diese Disposition führte zu Mißverständnissen, das Vorgehen erfolgte nicht gleichzeitig, im Centrum trafen die Hannoveraner auf feindliche Uebermacht und blieben im kritischen Moment ohne genügende Unterstützung des zweiten Treffens; nur durch die außerordentliche Tapferkeit der in erster Linie angreifenden Truppen ward hier trotz dem mangelhaften Zusammenwirken der Sieg errungen, während an den Flügeln die Engländer den Feind warfen. Bezüglich der Einzelheiten des Gefechts im Centrum folgen wir der Relation eines der anwesenden hannoverschen Officiere:

"Um 5 Uhr war schon Alles auf seinem Emplacement, bald fingen die beiderseitigen Batterien an zu spielen und unterhielten ein lebhaftes Feuer. Gegen 8 Uhr nahm vom linken Flügel überraschend vorstürmend Oberst Kelly mit den vereinigten Grenadieren zwei feindliche Batterien. Gegen die französische Hauptbatterie der Mitte, welcher wir gegenüberstanden, richteten unsere schweren Geschütze scheinbar nichts aus; wir standen gedeckt und hatten wenig auszuhalten bis General Stewart unsere Brigade avertiren ließ, sich zum Sturm auf die feindliche Hauptposition bereit zu halten. Er löste damit sein oft gegebenes Versprechen ein, uns Hannoveraner bei erster Gelegenheit vorzüglich gebrauchen zu wollen. Die große Batterie am linken Flügel hatte aufgehört zu feuern, der erste Schuß, der wieder von da fallen würde, ward uns zum Angriffssignal gegeben.

Obristlieutenant von Wangenheim ermahnete die Völker, Ehre einzulegen, mit scharf geschultertem Gewehr vorzurücken und nicht eher zu feuern, bis sie ihres Schusses gewiß wären. — Das Signal erfolgte und sofort wurde die Ordre befolgt; wir marschirten durch den Wald etwa 200 Schritt durch Gräben und Verhacke. Der Feind bewillkommnete uns mit einem schrecklichen Trauben- und Kartätschen-Feuer, welches uns durch Abschießen der Aeste im Holze doppelt gefährlich ward. Auf das Commando "Gewehr ab!" liefen unsere Leute mit Hurrah auf die Schanze los, erlitten dabei viele Verluste." Einer der Ersten, welcher tödtlich getroffen blieb, war Major Varenius; an seiner Seite fiel Adjutant Müller.

Die französischen Regimenter "la Marc" und "Austrasie", welche sich hinter der Batterie befanden, brachen jetzt vor, es kam zu einem kurzen aber heftigem Bajonettkampf, in dem von beiden Seiten viele Leute und auch zwei hannoversche Officiere getödtet und einige verwundet wurden. Oberst Elphinstone, der im Centrum commandirte, verabsäumte die Hannoveraner rechtzeitig zu unterstützen; das 101. Regiment und die Seapoys blieben zurück; in der rechten Flanke umfaßt, mußte Obristlieutenant von Wangenheim weichen.

Der Officier, dessem Bericht wir Eingangs unserer Darstellung folgten, sah dies für ein Scheinmanöver an; er schreibt: "Als wir mit den Bajonetten aneinander waren, erhielten wir Ordre, uns rasch zurück zu ziehen, dies hatte den erwünschten Erfolg, daß sich die Franzosen locken ließen, uns zu verfolgen. Wir setzten uns, weit schwächer an Mannschaft, wieder en Front und begrüßten die Feinde mit einem Rottenfeuer, sie zogen sich schnell in die Schanze zurück und auf erneuerten Befehl stürmten wir mit gefälltem Bajonett von Neuem auf sie los. Der Feind war in größter Confusion, der commandirende französische Oberst de Bent fiel, und als wir noch 30 Schritt etwa entfernt waren, verließ die Besatzung die Schanze in größter Eile; wir setzten uns in Besitz derselben und eroberten sieben zurückgelassene, theils 6-, theils 3-pfündige Kanonen." Erst im letzten Moment war ein Seapoybataillon zur Unterstützung eingetroffen.

Auf dem rechten Flügel drang das 78. Regiment vor und nahm zwei Schanzen; General Stewart ließ nun am linken Flügel das 73. Regiment gegen die Bonds-Hedge vorrücken. So auf der ganzen Front geworfen, gab General Bussy auch seine zweite schwächere Stellung auf und zog sich aufs Glacis von Cuddalore zurück, zu dessen Belagerung nun geschritten werden konnte.

Die beiderseitigen Gefechtsverluste waren groß; jede der Armeen verlor etwa 800 Europäer und einige Hundert Seapoys. Die Ehre des Tages gebührte vorzugsweise den Hannoveranern, die 4 Officiere und 64 Mann an Todten und 13 Officiere und 137 Mann Verwundete verloren, somit mehr als 1/3 ihrer Officiere und ¼ ihrer Gesammtstärke auf dem Platz gelassen hatten. Außer den bereits genannten Officieren blieben vom 16. Regiment Capitain Brunsich und Lieutenant Clusmann. Verwundet wurden Capitain von Scharnhorst, die Lieutenants Brauns und von Hinüber und die Fähnriche Best und Chevalier vom 15. Regiment; die Capitaine Dröge, von Zelle, von Westernhagen († am 5. Juli), die Lieutenants Nolte, Hüpeden und die Fähnriche Wernecke, Gerber und Isenbart vom 16. Regiment.
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1) Die Illustrated London News brachten kürzlich durch ein vorzügliches Bild diesen Vorgang in Erinnerung, verabsäumten aber ganz bei Darstellung des zweiten Treffens von Cuddalore der Hannoveraner zu gedenken, obgleich ihnen ein Hauptantheil der Ehre des Tages gebührt. [zurück]