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Wie heiß und blutig das Handgemenge bei Cuddalore gewesen, bewies die große Zahl der Verwundungen durch Bajonettstiche und Kolbenschläge. Auch von den nicht als verwundet aufgeführten Officiere hatten die meisten Kontusionen und leichte Verwundungen davongetragen; dies zeigt, mit wie gutem Beispiel sie beim Sturmangriff vorangingen.

In der ersten Schanze verblieben zunächst 2 Capitains mit 200 Mann als Besatzung. Am nächsten Tag wurden die Belagerungsarbeiten auf der ganzen Linie und bald darauf die Trancheen eröffnet. Es begann damit eine sehr beschwerliche Zeit, da die Zahl der Belagerungstruppen für den anstrengenden Dienst ungenügend war, zumal die heiße Jahreszeit mit ihrer unerträglichen Sonnengluth die Soldaten völlig entkräftete. Es kam hinzu, daß Admiral Hughes, der Cuddalore von der Seeseite abschließen und zugleich der Belagerungsarmee Kriegsvorräthe und Lebensmittel zuführen sollte, von dem unternehmenden Admiral Suffrein angegriffen und gezwungen ward nach Madras zurückzukehren; die französische Flotte aber brachte der Festung nicht allein Proviantergänzung, sondern auch eine Verstärkung der Besatzung durch Marinetruppen. Die Belagerten waren den ungünstigen Einflüssen des Klimas weniger ausgesetzt als die numerisch schwächeren und bald von Krankheiten, besonders von der rothen Ruhr, befallenen englisch-hannoverschen Truppen. Es gehörte die ganze Energie des Generals Stewart dazu, um unter den von Tag zu Tag wachsenden ungünstigen Verhältnissen nicht an der Einnahme Cuddalores zu verzweifeln.

General Bussy dagegen beschloß, die Vertheidigung activ zu führen und erschwerte im Vorterrain durch stete Beunruhigung der Trancheen die Belagerungsarbeiten. In der Nacht vom 25. Juni machten die Franzosen einen allgemeinen Ausfall und drangen bis in die Trancheen vor, wurden aber von den Pickets und rasch vorrückenden Unterstützungen zurückgeworfen. Der kommandirende Oberst Chevalier d’Amas fiel, seine Truppen verloren 50 Todte und viele Verwundete und Gefangene. Unter letzteren war auch der 19jährige junge Sergeant Bernadotte. Es ist kürzlich in diesen Blättern (Nr. 11, Seite 85) erzählt, daß Obristlieutenant von Wangenheim den Schwerverwundeten, welchen ein englischer Grenadier mit dem Bajonett bedrohte, in Schutz nahm, wie er menschenfreundlich für ihn sorgte und wie jener frühere französische Unterofficier 20 Jahre später als Oberbefehlshaber der Occupations-Armee von Hannover seinen Lebensretter wiedersah und sich dadurch in edler Weise dankbar erwies, daß er dessen Bitte, das schwere Loos des Landes möglichst zu mildern, thunlichst berücksichtigte. Durch eine wunderbare Schicksalsfügung zog wiederum 9 Jahre später, November 1813, der frühere französische General nunmehr als Kronprinz von Schweden an der Seite Sr. Königl. Hoheit des Herzogs von Cumberland in Hannover ein und ward mit diesem als Befreier des Vaterlandes vom napoleonischen Joch jubelnd begrüßt.

Kehren wir von dieser kurzen Abschweifung nach den Trancheen von Cuddalore zurück. Die Lage ward dort täglich hoffnungsloser, Mangel und Krankheiten drohten die Fortsetzung der Belagerung unmöglich zu machen. Unter diesen Umständen ward von den Truppen die am 30. Juni eintreffende Nachricht, daß zwischen Frankreich und England Friede geschlossen sei, mit Jubel begrüßt. Am 1. Juli erschien, von Madras kommend, in großem Pomp ein englischer Bevollmächtigter bei der Armee und machte bekannt, daß schon im Januar 1794 der Friede von Versailles proklamirt sei.

Tippo Saib als Prinz

Mit dem Marquis von Bussy ward nun ein Waffenstillstand vereinbart, wonach alle Feindseligkeiten sofort aufhören und die Truppen in ihren beiderseitigen Postirungen verbleiben sollten. Die Gefangenen wurden ausgetauscht; am nächsten Tage kam der französische Generalmajor ins hannoversche Hauptquartier, um seinen dort schwer blessirt liegenden Sohn aufzusuchen. Er ward aufs Freundlichste aufgenommen. Bald ward auch mit den bisher feindlichen Truppen der Verkehr gestattet und in regster Weise unterhalten, was besonders zwischen den hannoverschen und französischen Officieren zu freundschaftlichen Beziehungen führte. Da der Krieg mit Tippo Saib fortdauerte und ein Theil der hannoverschen Truppen zu einer Expedition nach dem Süden stoßen sollte, die Oberst Fullerton befehligte, so benutzten viele Officiere die gebotene Gelegenheit, ihre Feldausrüstung durch Ankauf von den Franzosen zu ergänzen.

Das zur Verstärkung der englischen Südarmee bestimmte Corps unter Obrist Stewart marschierte zuerst von Cuddalore ab, darunter 220 Mann hannoversche Truppen. In den letzten Tagen des Juni waren den epidemischen Krankheiten viele Leute, auch ein hannoverscher Officier erlegen; die übrigen Kranken wurden zu Schiff nach Madras befördert, wohin Obristlieutenant von Wangenheim mit dem Haupttheil der Hannoveraner, englischen Truppen sich anschließend, abmarschirte. Wenige Tagemärsche von Madras erreichte das Detachement der Befehl, weitere 220 Mann umkehren und nach Tanjore abgehen zu lassen.

Diese Abtheilung trat unter das Commando des Obersten Elphinstone, der mehrere Bataillone Engländer und Seapoys führte, und vereinigte sich nach einem äußerst beschwerlichen vierwöchentlichen Marsche durch die verwüstete Provinz Carnatik am 16. September mit den zuerst von Cuddalore abmarschirten englischen und hannoverschen Truppen. Diese Märsche wurden, wie es in Indien als unerläßlich galt, mit einem Troß ausgeführt, der die Kombattantenzahl viermal übertraf, jeder europäische Soldat hatte seinen Diener; die Officiere ganze Schaaren und die Seapoys führten überdies ihre ganze Familie, die Eltern, weitläuftige Verwandte und selbst die — Schwiegereltern mit sich. Wenn dies zahlreiche Gefolge auch im Marsche durch das in Folge Hungersnoth entvölkerte Land beibehalten ward, so ist dies nur dadurch erklärlich, daß die Seapoys zu ihrer Verpflegung buchstäblich nur Reis und Wasser erhielten und damit völlig zufrieden waren. Für die europäischen Truppen war durch Mitführen von Schlachtvieh u.s.w. gut gesorgt, anderseits litten sie sehr unter der Hitze, da die Märsche in einer Jahreszeit stattfanden, in der man, wenn irgend möglich, in Indien jede größere Truppenbewegung vermeidet. Auch bei den Hannoveranern kamen viele Todesfälle in Folge Sonnenstichs vor.

von dem Knesebeck berichtet, daß bei der Vereinigung der beiden hannoverschen Detachements die wieder zusammentreffenden Kameraden sich viel zu erzählen wußten von den geradezu wunderbaren Erlebnissen ihrer Märsche und Ruhetage. Einige hatten auf der Insel Seringham die berühmte Pagode besucht und berichteten von deren fabelhafter Größe und von den großartigen Tempelhöfen mit herrlich ornamentirten Eingangsthoren. Sie hatten einiges gesehen und von dem indischen Tempeldienst und den verschiedenen Priesterklassen und viel Wunderbares gehört von dem siebenten, allerheiligsten, nur den Brahminen und deren Frauen und Töchtern zugänglichem, prachtvollen Hofe, wo in Marmorschalen und Badebassins Springquellen sprudeln, bei denen die dem Gott Schammy geheiligten schönen Bajaderen Opfer bringen.

Andere erzählten, wie ihre nächtlichen Lager von wilden Bestien beunruhigt wurden und wie die Tiger drei unglückliche Seapoys fortgeschleppt hatten; wie in einer anderen Nacht scheu gewordene wilde Elephanten in flüchtiger Eile, den Erdboden erschütternd, einbrachen, die Zelt umrissen und Alles in größte Verwirrung brachten. Die Officiere mit ihren Dienern und in Begleitung von schußsicheren Unterofficieren und Leuten hatten an den Ruhetagen mit den Engländern, deren Vorliebe für Tigerjagden bekannt ist und die bis auf den heutigen Tag darin an Kühnheit kaum zu übertreffen sind, gewetteifert. Ein junger hannoverscher Officier hatte in übermüthiger Weinlaune gewettet, den ersten Tiger, den er anträfe, mit dem Säbel anzugreifen. Er hielt Wort; aber der wuchtige Schlag, den er gegen das Haupt des mächtigen Raubthieres führte, glitt ab, traf jedoch glücklicherweise noch die Vordertatze so kräftig, daß sie abgehauen ward; in diesem kritischen Momente tödteten Kugeln der herbeigeeilten Kameraden den Tiger.

Die vereinigten beiden Detachements der Hannoveraner, 400 Mann stark, bildeten nun ein Bataillon, welches Capitain Offeney befehligte. Am 24. September, nach Vereinigung mit den Verstärkungen, begann Oberst Fullerton die Expedition ins Land der Polygars, welche den Gebirgszug zwischen den Küsten von Coromandel und Malabar bewohnen; diese von Hyder-Ali unterjochten kriegerischen Stämme ergriffen die Gelegenheit, sich zu befreien; mit ihrer Unterstützung nahmen die Engländer mehrere kleine Bergfesten und begannen die Beschießung des großen, von 300 Mann besetzten Forts Polygantchery. Begünstigt von einem starken Regen, der die Gewehre der Vertheidiger so durchnäßte, daß sie nicht mehr losgingen, nahmen die Belagerer die Außenwerke durch einen Bajonettangriff. Viele Indianer fielen. Hierauf ergab sich das Fort unter der Bedingung des freien Abzugs der Garnison. Es wurde reiche Beute an Gold, Silber, Geschützen und Kriegsvorräthen gemacht. Bei der den englischen Vorschriften gemäß vorgenommenen Theilung erhielt jeder Capitain 400, jeder Lieutenant 200 und jeder Soldat 4 Thaler. In dem Wallgraben des Forts befanden sich Krokodile; ein ebenso ungewöhnliches wie unbequemes Annäherungshinderniß.

Bald nach der Einnahme von Polygantchery wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der in der Folge zu einem Frieden mit Tippo Saib führte. von dem Knesebeck erwähnt, daß bei dieser Expedition die hannoverschen Lieutenants von Wersabe und du Plat durch croquis von Marschrouten und Terrainaufnahmen den Engländern besonders dankbar anerkannte Dienste leisteten.

Ein anderes Detachement der beiden Regimenter unter Major von Kruse ward Mitte Juli 1783 zu Madras eingeschifft, um die Besatzung der Festung Mangalore an der Küste von Malabar, welche seit zwei Jahren belagert ward, zu verstärken, fand aber keinen Einlaß, weil ein Waffenstillstand mit Tippo Saib geschlossen war, der Verstärkungen verbot. So entging das Detachement dem traurigen Schicksal der Garnison, die, nachdem ihre ursprüngliche Stärke von 3000 Mann durch Krankheit und Hungersnoth auf 300 Mann zusammengeschmolzen war, sich wegen völligen Mangels an Lebensmitteln dem Feinde ergeben mußte.

Schließlich sei noch einer seltsamen kriegerischen Expedition, an welcher die Abtheilung des Major Kruse einen hervorragenden Antheil hatte, erwähnt. Die Königin Elisva von Cananore gehörte zu den Bundesgenossen Tippo Saibs (vgl. Knesebeck, Seite 151, 152) und hatte, den Waffenstillstand nicht achtend, englische, auf der Jagd befindliche Officiere gefangen nehmen und einkerkern lassen. Da sie die Auslieferung hartnäckig verweigerte, rückte eine kleine englische Armee, etwa 5000 Mann, vor Cananore, schoß in die Stadtmauer Bresche und schritt, nachdem die Aufforderung zur Uebergabe von der Königin stolz zurückgewiesen war, zum Sturm. Die erste Angriffskolonne bildete die Abtheilung des Majors Kruse, sie drang mit größter Unerschrockenheit vor. Nach vielem Blutvergießen ward die Stadt eingenommen und die Königin in Mitten ihrer schwarzen Hofdamen wurde zur Gefangenen gemacht. Bei Vertheilung der sehr reichen Beute erhielt Major Kruse 2000 Thaler als besondere Anerkennung seiner tapferen, umsichtigen Führung vorweg.

Das Detachement kehrte Ende April nach Madras zurück, da am 11. März ein Frieden mit Tippo Saib geschlossen war, wonach auf beiden Seiten Alles auf dem Fuß verblieb, wie es vor dem Kriege gewesen.