Arbeitskreis Hannoversche Militärgeschichte -> HOME

 

 

Hauptsächlich in Folge der Eifersucht wegen des indischen Handels begann schon 1740 der Krieg Englands mit Frankreich, welcher mit zeitweisen Friedensunterbrechungen lange Jahre in den britischen Colonien Asiens und Amerikas zu Lande, — wie auch zur See geführt ward. In Ostindien wurden die beiden Mächte von untereinander feindlichen eingeborenen Fürsten unterstützt, wodurch im ganzen Lande immer wieder neue Fehden ausbrachen. Anfangs errangen die Franzosen Erfolge, 1757 siegten die Engländer unter Lord Clive entscheidend, der mit der Unterwerfung von ganz Bengalen die britisch-indische Herrschaft begründete. — Es folgten schwere Kämpfe mit Hyder-Ali, dem Sultan von Maisur, der bis Madras vordrang. 1769 aber Frieden und ein Bündniß mit England schloß. — 1773 wurden die Präsidentschaften Bombay, Madras und Calcutta unter einen General-Gouverneur, Warren Hastings, gestellt, der Benares eroberte.

Aber alle bisherigen Erfolge in beiden Welttheilen waren gefährdet als bald darauf die nordamerikanischen Colonien sich erhoben, 1776 ihre Unabhängigkeit erklärten, und als 1779 — zu einer Zeit, wo England mit Spanien und Holland Krieg führte — in Ostindien die Mahratten siegreich vordrangen, dann zugleich der Krieg mit Frankreich wieder begann, während der treulose Hyder-Ali sich den Feinden anschloß und einen großen Theil des Carnatic und Malabars, Alles verheerend, durchzog.

Die Herrschaft der ostindischen Compagnie stand auf dem Spiele, die englische Regierung war völlig außer Stande gewesen, 1780 genügende Truppenverstärkungen nach Indien zu senden, da der Krieg in Nordamerika bereits eine ungünstige Wendung genommen hatte und dort Unterstützungen noch dringender erforderlich waren. — In dieser Nothlage ward 1781 Georg III. das Gesuch unterbreitet, ein Hülfscorps kurhannoverscher Truppen der ostindischen Compagnie zur Verfügung zu stellen.

Es war Ehrensache der Krone, Hülfe zu gewähren; anderseits aber waren es rein englische Interessen, die in Frage standen. Deshalb entschied der König, daß nur freiwillig geworbene Truppen nach Indien gesandt werden sollten.

Es muß hier darauf hingewiesen werden, daß noch im 18. Jahrhundert Deutschland und die Schweiz die großen Werbestätten für Söldlinge blieben, die sich für jede Sache zu schlagen bereit waren, für die sie bezahlt wurden. Frankreich hielt seine Schweizergarden, deutsche und irländische Regimenter, Holland, Spanien und Italien besoldeten fremdländische Truppen. Deutsche dienten überall, wo die Werbetrommel gerührt ward, am liebsten, wo hohes Handgeld und Aussicht auf Beförderung, Kriegsehren und Beuteantheil geboten wurden. Es war althergebracht, daß Leute mit unruhigen Köpfen und derben Fäusten, denen es in der Heimath nicht glücken wollte, ausländische Kriegsdienste nahmen. Dies kann weder Verwunderung noch sittliche Entrüstung erregen, wenn man bedenkt, daß die militärischen Verhältnisse im 18. Jahrhundert ganz anders waren wie heutzutage. Zustände, welche mehr denen, die Schiller in Wallensteins Lager uns vorführt, ähnelten, begünstigten solch handwerksmäßiges Dienstsuchen. Als grober Mißbrauch galt aber schon damals die gewinnsüchtige Ueberweisung einheimischer Truppen zu fremdem Colonialdienst gegen hohe Geldentschädigungen, die in fürstliche Kassen flossen. — Im Gegensatz hierzu war es das Streben Georgs III., durch besondere Zuwendungen die Hospitalstiftungen zu erhöhen, welche Hannover schon der Fürsorge Herzogs Georg Wilhelm verdankte. Die Lage der Kriegsinvaliden ward dadurch besser als in irgend einem andern Lande. Immerhin litten viele entlassene Soldaten bittere Noth. Wenn die Truppen ins Feld zogen wechselten deshalb mit den lustigen Klängen fröhlicher Soldatenlieder stets — wie oft noch heute — ernste, schwermüthige Weisen. Eine solche, welche für die damalige Zeit charakteristisch ist, endet mit dem melancholischen Verse:

Der Ausweg, den Georg III. traf, hatte mit gewinnsüchtigem Soldatenverkauf nichts gemein und entsprach ganz den landesväterlichen Gesinnungen, mit denen er an seinen Erblanden hing. Er verweigerte die Absendung von kurhannoverschen Regimentern, genehmigte aber die Anwerbung eines Truppencorps von 2000 Mann, welches ganz aus Freiwilligen und, was die Gemeinen betrifft, möglichst nur aus Ausländern bestehen sollte.

Für die Angeworbenen war eine große Sicherstellung ihrer Ansprüche gegenüber der englisch-ostindischen Compagnie, daß das neu errichtete Regiment nominell als kurhannoversches formirt und eine Convention, welche alle Dienst- und Geldverhältnisse und Versorgungsansprüche fest bestimmte, im Namen des Kurfürsten von dessen General-Adjudanten, General-Lieutenant von Freytag, mit den Bevollmächtigten der ostindischen Compagnie abgeschlossen ward.

In den General-Artikeln wurde die Dienstverpflichtung, vom Eintreffen in Indien an gerechnet, auf 7 Jahre festgesetzt und bestimmt, daß das Regiment bezüglich Sold, Rang u.s.w. völlig auf den Fuß gesetzt werden solle, wie Sr. Majestät Truppen in Ostindien; endlich ward ausdrücklich erklärt, daß Hochderselbe bei Ueberlassung des Regiments zum Dienst an die nach Ostindien handelnde Gesellschaft englischer Kaufleute nicht die Absicht habe, im mindesten zu profitiren.

Das Regiment sollte außer dem Stab aus 2 Bataillonen zu je 10 Compagnien, welche incl. Officieren, Unterofficieren etc. 100 Mann stark waren, bestehen, und zwar aus 8 Füsilier-, 1 Grenadier- und 1 leichten Compagnie. Da es in der kurfürstlichen Armee Gebrauch war, Regimentsgeschütze zu führen, so sollte jedes Bataillon in Indien 2 bis 3 6pfünd. Kanonen mit dem Feldgeräth erhalten, während nach vorgeschriebenen Modellen Bekleidung und Ausrüstung auf Kosten der ostindischen Compagnie in Hannover beschafft ward.

Die festgesetzten Geldgebühren bestanden aus Gage, Zulage und Feldbezügen, letztere Batta genannt.

Die Soldaten erhielten nach unserem Gelde etwa 15 M. Gage und 4 M. Zulage pro Monat und einen Verpflegungszuschuß. Die Corporale annähernd die doppelten und die Sergeanten etwa dreifache Beträge.

Die Batta erhielten Officiere und Unterofficiere in Geld, die Mannschaften in natura.

Das Handgeld für Unterofficiere und Soldaten betrug 5 £. Kleine besondere Bezüge, so halbjährliche Remunerationen von etwa 2 Thalern kamen hinzu. Endlich bestand eine Verordnung, wonach von aller berechtigten Kriegsbeute der commandirende Officier eines Detachements 1/8, der zweite im Commando 1/16, die übrigen Officiere, Unterofficiere und Soldaten nach Verhältniß ihrer Chargen einen Antheil bekamen.

Die Competenzen der Officiere waren für damalige Zeit enorm hoch, sie betrugen ungefähr für den Oberst 30 000 M., für den Major 20 000, für den Capitain 10 000, für den Lieutenant 5 860 M. und für den Fähnrich etwa 4000 M. jährlich, incl. der Feldzulage. Da man damals in Indien Geld zu 12% sicher anlegen konnte, so war es für höhere Officiere nicht schwer, ein Vermögen zu ersparen.

Die Lieutenants und Fähnrichs, auch damals geneigt das Leben in vollen Zügen zu genießen, erübrigten in der Regel wenig; zumal der bei weitem größte Theil ihrer Einnahme für die Bedienung ausgegeben werden mußte. Bei den eigenthümlichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens in Indien konnte, weil jeder Kaste besondere Hantierungen vorbehalten waren, kein Officier ohne 8 Domestiken fertig werden; im Felde wuchs die Anzahl der Diener bis 12, von denen jeder 5—6 Thaler zu unterhalten kostete; auch traten zeitweise große Theuerungen ein, u.A. 1781 und 1782, wo Hyder-Ali das Gebiet Carnatic so verwüstet hatte, daß daselbst allein 60 000 Menschen den Hungertod starben.

Sämmtliche Officiere waren beritten; die Ausgaben der jüngern standen also denen der höhern Chargen ziemlich gleich. Sehr günstig waren in Folge der großen Verluste — besonders durch Erkrankungen — die Avancements- verhältnisse.

Invalide Unterofficiere und Soldaten erhielten neben freier Rückfahrt und 4monatlichem Sold eine lebenslängliche Pension von etwa 4 Groschen täglich; invalide Officiere erhielten nur dann Halbsold, wenn sie verwundet waren und beschwören konnten, daß ihr Vermögen eine bestimmte Summe, welche z.B. beim Oberst zu 2000 £, beim Fähnrich zu 750 £ festgesetzt war, nicht überstieg. Diese ungünstige Einschränkung wünschte man hannoverscherseits abzuändern, sie beruhte aber auf englischen Bestimmungen, welche in Anbetracht der enormen Pensionsausgaben, und weil erfahrungsmäßig viele Officiere sich in Ostindien großes Vermögen erwarben, neuerdings von Lord Clive getroffen waren und nicht für ein einzelnes Regiment aufgehoben werden konnten.

Immerhin waren die Conventionsbestimmungen so günstig, daß der Aufruf der kurfürstlichen Commissare, General-Major von dem Busche und Geh. Kriegs-Rath von Münchhausen, welche die Werbung zu organisiren hatten, von so vielen Officieren und Unterofficieren befolgt ward, daß bald mehr Freiwillige als man bedurfte sich gemeldet hatten. Von den Gemeinen der kurfürstlichen Truppen ward nur Ausländern der Eintritt gestattet; doch avencirten Inländer zu Corporalen und gingen mit. Die Absicht, die Rekruten möglichst nur aus den angrenzenden geistlichen Staaten und den freien Städten, wo viel Angebot zu sein pflegte, zu werben, ward nicht streng durchgeführt, da sich außerordentlich viele freiwillige Hannoveraner meldeten, immerhin bestand die Mehrzahl in Reih und Glied aus Ausländern. Streng ward darauf gehalten, daß nur völlig gesunde kräftige Leute angenommen wurden, die nicht unter 5 Fuß 6½ Zoll maßen und im Alter zwischen dem 16. und 40. Lebensjahre standen.

Als Sammelplatz für alle Angeworbenen ward die Festung Hameln bestimmt.

Die Officiere, welche nur aus den Cavallerie- und Infanterie-Regimentern genommen werden durften, gehörten zu den besten der Armee; ebenso waren die Unterofficiere ausgewählt und höchst brauchbar.

Die Mannschaften dagegen bildeten ein sonderbares Gemisch von allerlei Art; der spätere General Best, der bei der Werbung als General-Secretär thätig war, charakterisirt sie in seinem Tagebuch mit den Worten: Man kann sich denken, welch ein Zusammenlauf von allen Menschengattungen hier zusammentraf! Handwerker, Deserteure, Künstler, Kaufleute, Beamte, Geistliche, Mönche, Juden, — kurz Jeder, dem es in seinem Stande nicht glücken wollte, fand beim Anwerben der nach Ostindien bestimmten Truppen ein neues Asyl, Vergessenheit seiner Leiden oder Verbrechen, Brot, Geld und Kleidung. Mancher, der in den höheren Ständen die beste Bildung und Erziehung genossen, war durch Unglücksfälle oder durch eigene Schuld in die Lage versetzt, dem Kalbsfelle zu folgen. So hatten wir z.B. einige abgesetzte Beamte und Prediger, verdorbene Candidaten und Advokaten, Assessoren und Officiere, Handwerker von mancherlei Gewerbe und Künstler, welche hier mit dem Gewehr auf der Schulter unter dem Corporalstock zu Soldaten gebildet wurden.

Wer die Schilderung unserer Officiere, welche 1854 in Anlaß des Krimkrieges in die englische Fremdenlegion eintraten, über deren Untergebene gehört hat, wird sich erinnern, daß sie ganz ähnlich lauteten, nur fehlte damals der Stamm tüchtiger und brauchbarer Unterofficiere, welcher 1781 von Anfang an dem Ganzen Halt gab. In beiden Fällen wurden in kurzer Zeit, Dank der Tüchtigkeit der Officiere, bald alle Schwierigkeiten überwunden. — Auch die sonst zweifelhaften Elemente bewiesen in Indien, daß sie an persönlicher Bravour den Andern nicht nachstanden. In Gefahr und Beschwerden ausdauernd, waren sie nur schwer in Ordnung zu halten, wenn sie unter ungünstigen Verhältnissen unthätig still liegen sollten.