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Legionsdenkmal

Groß waren die Erfolge der Schlacht, groß aber auch die Opfer. Mehr als 25.000 Franzosen waren gefallen, 13.000 Streiter vom Heere Wellingtons; 7.000 Preußen bedeckten das Schlachtfeld. Ringsum von Planchenoit, wo der erbitterte Kampf des Korps Bülow getobt hatte, bis Frichermont, von dort über Mont St. Jean bis Hougoumont und zurück bis Belle Alliance und längs der Straße nach Genappe war alles mit Toten, Sterbenden und Verwundeten angefüllt.

Die Verluste der Legion waren außergewöhnlich große. Von 512 Offizieren waren 31 gefallen, 99 verwundet; 8 davon starben an ihren Wunden. "Verwundet wurden noch mehrere Offiziere, die es nicht der Mühe wert hielten, auf den Listen zu stehen und sich nicht angaben." (Hartmann)

Der Gesamtverlust betrug also 130 von 512 Offizieren, d.h. mehr als ein Viertel. Von 6.492 Mann waren 1.460, mehr als ein Fünftel, tot, verwundet oder vermißt. Die einzelnen Truppenteile waren in folgender Höhe an den Verlusten beteiligt (Mannschaft einschl. Unteroffiziere):

Truppenteil Gefechts- stärke Tot Ver-
wundet
Ver-
mißt
Gesamtverlust
Artillerie 543 28 50 4 82 d.h. etwa 1/7 der Stärke
1. leichte Dragoner 521 30 90 6 126 d.h. etwa 1/5 der Stärke
2. leichte Dragoner 458 20 47 1 68 d.h. etwa 1/7 der Stärke
1. Husaren 547 3 5 3
2. Husaren 8 (als Ordonnanzen bei verschiedenen Generalen)
3. Husaren 678 31 106 137 d.h. etwa 1/5 der Stärke
1. leichtes Bataillon 476 49 82 13 144 d.h. über 1/4 der Stärke
2. leichtes Bataillon 386 46 80 29 155 d.h. über 1/3 der Stärke
1. Linien-Bataillon 464 34 57 17 108 d.h. etwa 1/4 der Stärke
2. Linien-Bataillon 494 17 75 7 99 d.h. etwa 1/5 der Stärke
3. Linien-Bataillon 546 37 73 31 131 d.h. etwa 1/4 der Stärke
4. Linien-Bataillon 468 23 67 14 104 d.h. über 1/5 der Stärke
5. Linien-Bataillon 436 41 42 74 157 d.h. über 1/3 der Stärke
6. Linien-Bataillon 1 1 1  
7. Linien-Bataillon 15 1 1 2  
8. Linien-Bataillon 449 28 80 16 124 d.h. über 1/4 der Stärke
Veteranen-Bataillon 2 2 2  

Diese Angaben sind nach den "Listen und Nachweisungen, welche sich auf den Dienst der Kgl. Deutschen Legion usw. beziehen" (Hannover, Jänecke 1837/42), genau zusammengestellt und weichen in Einzelheiten erheblich von der bei Siborne und Beamish gegebenen Liste ab. Für die Gefechtsstärken am Morgen der Schlacht sind die namentlichen Listen derjenigen Unteroffiziere und Mannschaften zu Grunde gelegt, welche Waterloo-Medaillen erhalten haben. Diese Listen zeigen Verschiedenheiten gegen die Nachweisung in Wellingtons dispatches XII, 485 - 487 (Stand am Morgen des 18. Juni 1815), sind aber genauer als letztere.

Der Gesamtverlust an Pferden betrug 490 (ohne Offizierpferde). An Pferden verloren:

die Artillerie

49

Pferde tot,
die 1. Dragoner

65

Pferde tot,

100

verwundet,
die 2. Dragoner

36

Pferde tot,

35

verwundet,

22

vermißt.
die 1. Husaren

9

Pferde tot,

13

verwundet,

3

vermißt.
die 3. Husaren

69

Pferde tot,

74

verwundet,

15

vermißt.

228

Pferde tot,

222

verwundet,

40

vermißt.

Die Verluste an Offizieren gehen aus S. 155 - 180 der Anlagen (hier nicht veröffentlicht; Webmaster) hervor, wo sie nach Truppenteilen geordnet namentlich aufgeführt sind. Besonders hervorgehoben seien folgende bei Waterloo außerhalb ihrer Truppenteile verwendete Offiziere:

General Carl v. Alten, der die 3. Division befehligte, und Generalmajor Sir Colin Halkett, der die 5. britische Infanterie-Brigade führte; beide wurden schwer verwundet.

Premierleutnant v. Schulzen, der bei der 1. hannoverschen Batterie Dienst tat und fiel; Kapitän Braun, der Führer dieser Batterie, Kapitän Erythropel und Leutnant Heise, die bei derselben Batterie verwundet wurden; Kapitän Wiegmann vom 2. leichten Bataillon, der als diensttuender Brigademajor der Brigade du Plat fiel. Der Brigademajor der 7. Kavallerie-Brigade, Rittmeister v. Bobers, fand den Tod; Kapitän v. Einem, der Brigademajor der 2. Infanterie-Brigade und Rittmeister v. Cloudt, in gleicher Eigenschaft bei der 3. Kavallerie-Brigade, wurden verwundet. Kapitän A. v. Sasse tat während der Schlacht Dienst als Brigademajor des Oberstleutnants H. Halkett; er wurde erschossen, während er 2 Bataillone der hannoverschen Brigade Halkett vorholen sollte. Man fing später sein Pferd auf, fand auch die Mütze, entdeckte aber von der Leiche keine Spur.

Die bedeutendsten Verluste entfallen auf das 2. leichte und das 5. Linienbataillon, danach folgen das 1. leichte, sowie das 1., 3. und 8. Linienbataillon. Von den Kavallerie-Regimentern hatten die 1. Dragoner und 3. Husaren am meisten gelitten. Die Artillerie war am besten weggekommen, da sie sehr günstig aufgestellt gewesen war. Immerhin verlor auch sie etwa 1/7 ihrer Stärke. Am stärksten hatte die Fußbatterie Cleeves gelitten, die allerdings an dem wichtigsten Punkt der ganzen Schlachtlinie gestanden hatte. Sie verlor 3 Unteroffiziere und 17 Mann. (In einem dem Königlichen Generalstabe zu Berlin 1825 übersendeten - im Anhang abgedruckten - Bericht über den Anteil der hannoverschen und Legionstruppen an der Schlacht bei Waterloo finden sich die Verluste der Legionsartillerie wie folgt angegeben: Fußbatterie Cleeves - 1 Offizier (v. Schulzen), 1 Oberfeuerwerker, 7 Mann tot; 2 Offiziere (Erythropel, Heise), 2 Oberfeuerwerker, 10 Mann verwundet; 10 Pferde verloren. Reitende Batterie Sympher - 1 Offizier (Sympher), 32 Mann, 27 Pferde tot und verwundet. Reitende Batterie Kuhlmann - 12 Mann, 18 Pferde tot und verwundet.)

Bedenkt man, daß die deutschen Legionäre an den gefährlichsten Punkten der gesamten Schlachtstellung eingesetzt wurden, und betrachtet man ihre Verluste, so wird man auch begreifen, warum die Engländer diese Hilfstruppen mit unter ihre national-britischen Kerntruppen rechneten. Wuchs ihnen damit doch auch ein erheblicher Teil des deutscher Soldatentüchtigkeit gebührenden Ruhms zu. Außerdem hatte Großbritannien die Dienste dieser Fremdtruppen bezahlt, sie fochten unter englischen Hoheitszeichen und betrachteten England als ihr Adoptivvaterland.

Ist es nun auch nicht richtig, in deutsch-nationalen Geschichtswerken (wie bei Lettow-Vorbeck) die Deutschen deshalb lediglich als einen Teil des reinenglischen Heeres selbst zu betrachten, so muß doch andererseits anerkannt werden, daß fast alle britischen Geschichtswerke dem Sonderverdienst dieser Deutschen ihre vollste rückhaltlose Anerkennung zollen, und daß es in den Reihen der Legion selbst damals als eine besondere Ehre betrachtet wurde, zu dem stets gegen Napoleon siegreich im Kampfe gewesenen Heere des Herzogs von Wellington zu gehören. Wird doch vielfach berichtet, daß die Legionäre mit einer gewissen Geringschätzung sogar auf ihre Landsleute in den erst unlängst errichteten junghannoverschen Formationen herabgesehen hätten.

Wenn man politische Verstimmungen unserer Tage rückwärts auf die damaligen Anschauungen der Legionsoffiziere übertragen wollte, so würde man sich jedenfalls von der geschichtlichen Wahrheit weit entfernen. Das schließt nicht aus, daß die geringere Bildung des gemeinen britischen Soldaten und die mehrfach hervorgehobenen Mängel des englischen Offizierkorps im Aufklärungs- und Sicherheitsdienst in der Deutschen Legion nicht klar erkannt worden wären. In der Schlacht galt damals wie heute der Engländer für einen der besten Soldaten der Welt, und die deutschen Legionäre waren stolz auf die ihnen gewordene Auszeichnung, die in dem verdienstvollen Werke des Engländers Siborne in folgendem Urteil zum Ausdruck kommt:

"Von den Truppen der deutschen Legion, sowohl Infanterie als Kavallerie und Artillerie, kann man unmöglich in Ausdrücken zu großen Lobes sprechen; für sie mag die Bemerkung genügen, daß ihr Benehmen in jeder Beziehung dem der Briten gleich war."

In der gebotenen Stoffbegrenzung unserer Legionsgeschichte liegt es begründet, daß wir den Anteil der preußischen Armee am Tage von Waterloo - Belle Alliance nur ganz nebenbei haben streifen können.

Wir wollen jedoch das Schlachtfeld von Waterloo nicht verlassen, ohne zu einer Streitfrage Stellung zu nehmen, die noch heute Bedeutung beansprucht.

Bis in unsere Tage hinein ist der Kampf der Meinungen nicht zur Ruhe gekommen, ob Wellington oder Blücher der größere Anteil an dem Siege von Waterloo - Belle Alliance zuzuschreiben sei. Aus unserer Darstellung der Schlacht geht die Antwort zur Genüge hervor.

Wellington hat den Kampf in der Stellung von Mont St. Jean am 18. Juni nur angenommen, weil er auf Blüchers Unterstützung mit Sicherheit zählte. Daraus ergibt sich, daß er sich Napoleons überlegenen Kräften gegenüber allein nicht gewachsen fühlte. Nun wendete sich gegen ihn fast 8 Stunden lang der napoleonische Verzweiflungskampf in fortwährend wiederholten Offensivstößen von geradezu unerhörter Heftigkeit. Nur durch die über jedes Lob erhabene Ausdauer der Verbündeten, durch die zähe Beharrlichkeit ihrer Verteidigung, durch ihren Schneid in der Gegenoffensive ist es gelungen, bis gegen 6 Uhr die Stellung von Mont St. Jean zu behaupten.

Nach 6 Uhr trat die Krisis des Kampfes ein. Konnte nach der Wegnahme von la Haye Sainte Marschall Ney durch einige frische Bataillone unterstützt werden, so war die Stellung durchbrochen, eine Katastrophe mehr als wahrscheinlich. Daß Napoleon diese Unterstützung seinem Marschall zur richtigen Zeit nicht zu geben vermochte, das war dem gerade zu dieser Zeit sehr scharfen Druck der Preußen gegen Planchenoit zu verdanken. Die Zurückweisung des letzten und heftigsten Angriffs der französischen Garden gegen das Plateau von Mont St. Jean ist wiederum lediglich der unerschütterten Haltung der englisch-deutschen Verteidigungs-Infanterie zuzuschreiben, während der letzte allgemeine Offensivvorstoß Wellingtons nach dem Zurückweichen der Kaiserlichen Garde schwerlich möglich gewesen wäre ohne das scharfe Vordrängen Blüchers gegen Napoleons Rückzugslinie.

Mit Vermutungen und Möglichkeiten kommt man in der Kriegsgeschichte nicht weit. Selbst wenn man alle denkbaren Fälle abzuwägen glaubt, wer steht dafür, daß nicht bei einem anderen als dem tatsächlichen Verlauf noch weitere unberechenbare Zufälle eingetreten wären? Zufälligkeiten spielen ja im Kriege von jeher eine bedeutende Rolle. Am besten nimmt man die Dinge, wie sie gewesen sind, und verirrt sich nicht zu tief in die Irrgänge der Möglichkeiten.

Betrachtet man aber unter diesem Gesichtspunkt die Schlacht bei Waterloo, so kann man nur zu der beiden Parteien gerecht werdenden Lösung kommen, daß Wellington und Blücher gleichen Anteil an dem Erfolge haben. Ohne die unerschütterliche Haltung der deutsch-englischen Armee, ohne die persönliche Kaltblütigkeit des Herzogs, der sich nicht einen Moment aus seiner überlegenen Ruhe bringen ließ und allen Vorstellungen immer nur einen Befehl entgegensetzte "Ausharren bis auf den letzten Mann" wäre eine Verteidigung der Stellung von Mont St. Jean bis in die Abendstunden gegenüber dem um seine Existenz ringenden größten Feldherrn seiner Zeit unmöglich gewesen. Blüchers zwar spätes, aber doch noch rechtzeitiges Eintreffen hat den hin und herschwankenden Kampf zu einem vollen Siege gestaltet, und Gneisenaus einzigartige Verfolgung die Vernichtung des stolzen Kaiserlichen Heeres herbeigeführt. ("Man weiß, wie im Laufe des Tages das Schicksal beider Armeen oft sehr zweifelhaft war, bis endlich gegen Abend die Ankunft der Preußen den so teuer errungenen Sieg entschied." - Tagebuch des Rittmeisters C. Heise)

Ehre daher beiden Heerführern in gleichem Maße, wobei wir nicht vergessen wollen, daß zu Wellingtons Erfolgen deutsche Tüchtigkeit ein Erhebliches beigetragen hat. Insonderheit mag es die Regimenter der Provinz Hannover, welche als berufene Erben des von ihren Vorahnen erworbenen Ruhmes jetzt wiederum das Motto "Waterloo" an der Kopfbedeckung tragen dürfen, mit stolzer Genugtuung erfüllen, daß ihre Altvorderen, Söhne des gleichen niedersächsischen Landes, sich dort unvergängliche Lorbeeren erwarben.

So lange die Waterloosäule in Hannover stolz in die Lüfte ragt, so lange ein deutscher Soldat nach Vorbildern kriegerischer Tapferkeit sucht, so lange wird die Erinnerung an Waterloo nicht verklingen!