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Denkstein auf dem Gehrdener Berge für
Kapitän Carl Ludewig v. Holle, 1. Linienbataillon

Der Anfang der Schlacht ist der Zeit nach durch verschiedene Augenzeugen genau festgelegt. Als die französische Division Jérôme zum Angriff gegen Hougoumont antrat, war die in der Mitte der Verteidigungsstellung auf dem überragenden Hügel südlich der Brigade Kielmannsegge stehende 4. Fußbatterie der deutschen Legion unter Kapitän Cleeves die erste, welche den Feind bemerkte und die gegen den Erlenbusch südlich des Schlosses vorgehenden Schützen und Unterstützungstrupps Jérômes unter wirkungsvolles Feuer nahm. Als der erste Kanonenschuß fiel, sahen verschiedene Offiziere nach der Uhr, es war 1135 Vormittags.

Alsbald traten auch die Batterien der Division Cooke in den Kampf ein, in welchem sie dauernd die Oberhand behielten, obwohl auch Jérôme einige Batterien auffahren ließ. Wellington hatte ausdrücklich befohlen, daß die Batterien nicht gegen die feindliche Artillerie, sondern nur gegen die Angriffskolonnen schießen sollten und demgemäß litt die feindliche Infanterie unter dem wohlgezielten Artilleriefeuer ganz außerordentlich.

Zu den Batterien der Division Cooke gehörte auch die 2. reitende Batterie der deutschen Legion unter Major Kuhlmann. Diese hatte ihren Platz in tonigem Ackerland, der durch den Regen so sehr erweicht war, daß die 9pfündigen Kanonen und die 5½ zöllige schwere Haubitze (Die beiden reitenden und die 4. Fußbatterie hatten seit 1815 je 5 Neunpfünder-Kanonen und eine 5½ zöllige Haubitze.) nur mit großer Mühe zu bewegen waren. Als die feindliche Infanterie südwestlich Hougoumont sichtbar wurde, begann auch Kuhlmann ein lebhaftes und sehr wirksames Feuer mit Kugeln und Schrapnells. Die Infanteriekolonnen bogen vor demselben nach Osten aus und warfen sich in den Erlenbusch hinein, wo sie nur noch mit Granaten beschossen werden konnten. Der Erbprinz von Oranien kam an die Batterie Kuhlmann heran und bezeugte dem Batteriechef seine lebhafte Anerkennung für das wohlgerichtete wirksame Feuer.

Eine feindliche Batterie von schwerem Kaliber war inzwischen auf etwa 950 m Entfernung aufgefahren und beschoß die deutsche Batterie. Diese durfte aber das Feuer wegen des von Wellington gegebenen Verbots nicht erwidern.

Während der Einleitung des Kampfes um Hougoumont, der bis zum Ende der Schlacht mit wechselndem Erfolge fortdauerte und beinahe eine Schlacht für sich bildete, indem nach und nach immer mehr Kräfte auf beiden Seiten eingriffen, machten sich die Truppenteile der Wellingtonschen Mitte zur Abwehr des zu erwartenden Hauptangriffs bereit.

Gegen ½ 2 Uhr eröffneten 80 französische Geschütze, nachdem sie mit dem linken Flügel bis auf etwa 800 m, mit dem rechten - der Form des auf Papelotte verlaufenden langgestreckten Höhenrückens folgend - bis auf etwa 650 m an die feindliche Hauptstellung herangegangen waren, ein verheerendes Schnellfeuer gegen dieselbe. Die Wirkung der Geschosse war so bedeutend, daß Wellington sich genötigt sah, seine gesamte Infanterie bis auf einzelne Schützenschwärme um etwa 200 m hinter den Hohlweg zurückgehen zu lassen, wodurch sie bei der günstigen Form des Höhenrückens der Wirkung des feindlichen Artilleriefeuers fast gänzlich entzogen wurde. Die Batterien erwiderten das Feuer der Franzosen mit Lebhaftigkeit und gutem Erfolge. Sie waren im Gelände so vorteilhaft aufgestellt - von der Batterie Kuhlmann, die bei diesem Artillerieduell nicht mitwirken konnte, wird das besonders berichtet - daß sie mit den Mündungen nur eben über die Höhe hervorragten und dadurch nur ein geringes Ziel boten. Ihre Verluste blieben daher verhältnismäßig gering.

Auffallender Weise ließ die französische Artillerie anfangs den Pachthof la Haye Sainte fast ganz unbeschossen. Bei Hougoumont auf dem anderen Flügel befahl Napoleon sehr bald, die Gebäude in Brand zu schießen, bei la Haye Sainte scheint er nicht daran gedacht zu haben.

So war gegen 2 Uhr, als Ney mit den Divisionen Allix, Donzelot, Marcognet und Durutte des Korps Erlon in geschlossenen Bataillonskolonnen (Jede Kolonne (colonne de division) hatte auf diese Art eine Breite von 160 - 200 Rotten bei einer Tiefe von 24 bzw. 27 Mann, bildete also ein Rechteck von etwa 150 m Breite und 40 m Tiefe, eine im Hinblick auf die feindliche Feuerwirkung höchst unglückliche Kampfform.) vom linken Flügel vorging, die Einbruchsstelle keineswegs sturmreif gemacht, die Verteidigungskraft des wichtigen vorgeschobenen Pachthofes und der hinter dem Hohlweg stehenden Infanterie durchaus nicht gebrochen. Nur die weiter vorgeschobene Division Bylandt, die schon bei Quatrebras stark ins Feuer gekommen war, erlitt durch das Geschützfeuer erhebliche Verluste.

Um die gleiche Zeit etwa wurde auf dem westlichen Flügel der Schlachtlinie die 1. reitende Batterie der Legion unter Major Sympher aus der Reserve vorgezogen und in der Nähe der Straße nach Nivelles nördlich Hougoumont gegen Umfassungsbewegungen Jérômes und der Kavallerie-Division Piré in Tätigkeit gebracht.

Gegen 2 Uhr verstummte plötzlich das Feuer der französischen Batterien für kurze Zeit, um die 4 Kolonnen Erlons durchzulassen. Der 1. Hauptangriff begann.

Die am weitesten links befindliche Brigade Quiot der Division Allix überschritt die Brüsseler Straße etwas südlich der großen französischen Artillerie-Linie und wendete sich gegen den Pachthof la Haye Sainte. Weiter rechts richtete die Brigade Bourgeois ihren Angriff gegen das 95. englische Infanterie-Regiment in der Sandgrube hart östlich der Chaussee, die Divisionen Donzelot und Marcognet den ihren gegen die niederländische Division Bylandt, Durutte gegen Papelotte.

Major Baring hatte zu dieser Zeit sein einschließlich der Unteroffiziere nur 376 Mann zählendes und in 6 Kompanien (Züge) eingeteiltes 2. leichtes Bataillon mit 3 Kompanien den südlich gelegenen Obstgarten, mit einer den Gemüsegarten nördlich derselben besetzen lassen. Zwei Kompanien verteidigten die Gebäude. Die Leute standen schußbereit hinter ihren Schießscharten bereit, die Verteidiger des Obstgartens hinter den Hecken. Als Übelstand wurde es empfunden, daß eine der Südhecke etwa 50 m vorgelagerte Geländeerhebung dem Feinde gedeckte Annäherung bis hierher gestattete.

Baring hatte befohlen, erst zu feuern, wenn der Feind bis auf wirksame Schußweite herangekommen sei. Die nur schmale Südfront des Obstgartens war durch ausgeschwärmte Schützen von den Kompanien C. Wyneken und v. Goeben des 1. leichten Bataillons und durch eine Kompanie hannoverscher Jäger unter Major v. Spörcken nach Westen verlängert.

Gegen 2 Uhr drangen die Schützen der Brigade Quiot gegen den Obstgarten vor und wurden von einem sehr lebhaften Feuer empfangen, welches sie wirkungsvoll erwiderten. Gleich einer der ersten Schüsse durchschlug die Zügel des zu Pferde im Obstgarten haltenden Majors Baring, ein anderer tötete den Major Bösewiel. Die Franzosen drängten alsbald - dauernd von rückwärtigen Kolonnen verstärkt - die Schützen vom 1. leichten Bataillon westlich des Obstgartens zurück, zwangen aber auch Baring, sich bis in den nördlichen Teil desselben nahe an die Scheune (Nicht in die Scheune, wie Beamish behauptet. Nach Lage der Eingänge - vergleiche die Skizze - war es schwierig, sich mit größeren Kräften in den Hofraum hineinzuwerfen.) zurückzuziehen, und schickten sich zum Sturm auf die Gehöfte an, aus deren Umfassungsmauern unausgesetzt ein lebhaftes Büchsenfeuer hervorschlug.

Die kritische Lage des 2. leichten Bataillons konnte dem bei der einzelnen Ulme, also etwa 250 m hinter la Haye Sainte, haltenden Herzog von Wellington nicht entgehen. Auf seine Veranlassung entsandte Graf Kielmannsegge (Nicht Ompteda, wie Houssaye sagt. Auch die Anmarschrichtung des Bataillons Lüneburg ist dort falsch angegeben.) das Feldbataillon Lüneburg unter Oberstleutnant v. Klencke zur Unterstützung. Dasselbe stieg auf dem nächsten Wege zu dem Pachthofe herab und hatte etwa die Mitte der Westhecke des Obstgartens erreicht, als Baring auch wieder vorzukommen suchte. Die Franzosen wurden bis an die Südhecke zurückgetrieben. Da erschienen plötzlich hinter der deckenden Erdfalte französische Kürassiere und nahmen die Richtung gerade auf den Westrand des Gartens. Es war die Kürassierbrigade Travers vom Korps Milhaud, auf Veranlassung des Kaisers zur Unterstützung des Erlonschen Angriffs nachgeschickt.

Baring hatte eben noch Zeit, dem Kapitän Meyer auf seine Meldung, daß er sich im Gemüsegarten nicht mehr halten könne, den Rückzug in die Gebäude zu befehlen, als bereits die Kürassiere heranbrausten, das auf freiem Felde befindliche und mit Schützen von Barings Bataillon untermischte Feldbataillon Lüneburg über den Haufen ritten und in Verbindung mit Quiots Infanteristen Baring zur schleunigen Räumung des Obstgartens zwangen. Es gelang ihm weder, die Scheune zu erreichen, noch die durcheinander gemengten Leute zum Halten und Frontmachen zu bewegen; aus der Umzäunung des Obstgartens zurückgedrängt blieb ihm nur der Rückzug auf die Hauptstellung übrig, wobei die Flüchtlinge noch aus dem französischerseits inzwischen besetzten Gemüsegarten Feuer erhielten.

Das Feldbataillon Lüneburg war so gut wie vernichtet; es kam während des ganzen Schlachttages nicht wieder zur Verwendung. Sein Kommandeur, Oberstleutnant v. Klencke, ein alter Legionär, war verwundet. (Nach den Erinnerungen des Generals Jacobi hatte v. Klencke, der 1811 als einer der jüngeren Kapitäns aus der Legion ausgeschieden war und jetzt bereits ein Bataillon befehligte, bei den Legionsoffizieren - wohl nicht mit Unrecht - viele Neider. Die spätere schlechte Behandlung der Legionsoffiziere hinsichtlich ihrer Anciennität gegenüber denjenigen, die bei Zeiten in den kurhannoverschen Dienst übergetreten waren, deutete sich schon während der Befreiungskriege an.)

Die Gebäude des Pachthofes blieben besetzt. Hier wurde die Verteidigung in prächtiger Weise von den Leutnants Carey und Graeme und vom Fähnrich Frank geleitet. An Mannschaften waren nur wenig über 100 Mann daselbst zur Stelle. Baring bat daher sofort um Verstärkung dieses so überaus wichtigen Postens.

In dem bisher geschilderten kurzen Gefechtsabschnitt hatte die Legion bereits starke Verluste. An Offizieren waren bereits außer dem Major Bösewiel der Kapitän Schaumann und der Fähnrich Robertson vom 2., ferner Kapitän v. Goeben vom 1. leichten Bataillon gefallen. Kapitän Holtzermann, der 1813 das Legionsdetachement in Norddeutschland befehligte, hatte schon bei Beginn der Kanonade seinen Tod gefunden. 6 Offiziere vom 2. leichten Bataillon waren verwundet.

Inzwischen hatte sich die Angriffsbewegung des Korps Erlon nach dem Rückzuge der Niederländer unter Bylandt an der unerschütterlichen Haltung der englischen Elitebrigaden Kempt und Pack gebrochen. Von ihrem heldenmütigen Divisionär Picton angeführt, warfen sie die Kolonnen Donzelot und Marcognet mit dem Bajonett von der Höhe wieder herunter. Das 1. leichte, das 5. und 8. Linien-Bataillon der deutschen Legion hatten diese Bewegung auf unmittelbaren Befehl des Herzogs unterstützt, indem sie - die Chaussee überschreitend - den Franzosen in die Flanke gingen. Die englischen Garde-Schwadronen der Brigaden Somerset und Ponsonby vervollständigten durch ihre Attacken gegen Travers’ Kürassiere und gegen Erlons Kolonnen den Sieg im ersten Hauptteil der Schlacht. Leider reißt die Kampfbegier sie zu weit fort, bis auf die Höhen von Belle Alliance; mit großen Verlusten werden sie von dort durch frische Kavallerie wieder zurückgeworfen.

Nach 3 Uhr befand sich kein lebender Franzose mehr auf den Höhen von Mont St. Jean. England bezahlte diesen ersten Erfolg mit dem Tode der ausgezeichneten Generale Picton und Ponsonby.

Auf Wellington hatte das Umkehren einer so großen Truppenmenge von la Haye Sainte, wie es sich aus dem vereinten Zurückströmen des lüneburger Bataillons und der Baringschen Schützen ergab, einen sehr schlechten Eindruck gemacht. Wahrscheinlich hat er den Major Baring nach seinem Eintreffen in der Hauptstellung gesehen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß jener seine Bitte um Unterstützung außer bei dem Oberst v. Ompteda bei dem Herzog selbst angebracht hat. Er erhielt darauf die Verfügung über 2 Kompanien des 1. leichten Bataillons unter den Kapitäns v. Gilsa und H. v. Marschalck und rückte mit diesen sofort nach dem Pachthofe vor. Nunmehr gab er den wegen seiner Form und Lage zur Verteidigung ganz ungeeigneten Obstgarten ganz auf und verwendete die beiden Kompanien des 1. leichten Bataillons nebst einigen seiner Leute zur Verteidigung des Gemüsegartens. Er selbst übernahm das Kommando im Innern des Pachthofes. Alles arbeitete angestrengt an Wiederherstellung der durch das feindliche Feuer verursachten Schäden.

Aus dieser Darstellung ergibt sich auch die Erklärung für Wellingtons schon erwähnten Irrtum betr. der Wegnahme des Pachthofes. In einem Bericht vom 17. August 1815 aus Paris hatte der Herzog einem Herrn, der etwas über die Schlacht von Waterloo schreiben wollte, in Berichtigung einiger falscher Angaben mitgeteilt, in Mont St. Jean seien Gebäude vom Feinde nicht genommen worden, sondern nur die Farm vor dem linken Zentrum an der Straße nach Genappe. Dieser Verlust sei etwa um 2 Uhr erfolgt und der Nachlässigkeit des dort befehligenden Offiziers zuzuschreiben. Die Franzosen hätten einen kleinen Erdhügel gerade gegenüber dem Hoftor von la Haye Sainte links (östlich) der Straße von derselben Zeit an bis zu dem großen allgemeinen Vorstoß am Abend besetzt gehalten.

Letzteres ist ein Irrtum; der kleine Erdhügel an der Sandgrube wurde erst bei Neys zweitem Angriff von den Franzosen gegen 4 Uhr genommen und blieb dann bis zum Abend besetzt. Wellington hat Baring in seiner Hauptstellung gesehen, hat Franzosen rechts und links vom Pachthof, ferner in dem nach ihm zu gelegenen Gemüsegarten beobachtet und vermutlich geglaubt, der von ihm persönlich mit der Verteidigung des Pachthofes betraute Major Baring wolle mit den erbetenen Unterstützungskompanien das ganz verlorengegangene la Haye Sainte zurückerobern.

In seinem am 19. Juni 1815 - also einen Tag nach der Schlacht - geschriebenen Bericht an Bathurst aus Waterloo erklärt Wellington den schließlichen Verlust des Pachthofes mit dem Mangel an Munition. General C. v. alten erwähnt in seinem für Wellington bestimmten Bericht (Brüssel, 19. Juni) nur die tapfere Haltung des Majors Baring und den Munitionsmangel, in einem Briefe vom 20. erbittet er den Rang eines Oberstleutnants für Baring wegen seiner ausgezeichneten Führung. Auch für Major H. v.d. Bussche vom 1., Brevetmajor Heise vom 2. leichten Bataillon und den Kapitän Cleeves von der Artillerie erbat er Rangerhöhungen.

Da der erwähnte Brief Wellingtons mit der abfälligen Kritik über den in la Haye Sainte befehligenden Offizier 2 Monate nach der Schlacht geschrieben ist, so muß man annehmen, daß der Herzog für seine Person den Verlust beider Gärten und das zeitweise Zurückkommen des Befehlshabers selbst einem Verlust des ganzen Pachthofes gleich erachtet und daß er sich außerdem über diese wichtige Angelegenheit nicht genügend unterrichtet hat. Vergleiche Houssaye, der dem Herzog den Vorwurf leichtfertiger Berichterstattung macht. In Wirklichkeit haben die Baulichkeiten des Pachthofes in diesem ersten Kampfabschnitt die Rolle eines Reduits gespielt.

Kennedy erwähnt übrigens, Wellington habe dem Lord Ellesmere gegenüber freimütig zugegeben, daß er die hervorragende Bedeutung von la Haye Sainte anfangs verkannt habe, er hätte außer Barings schwachem Bataillon noch ein englisches von etwa gleicher Stärke hineinlegen sollen. Auch hätte etwas für die feldmäßige Befestigung seitens der obersten Heeresleitung geschehen müssen.

Während im Zentrum der Stellung gegen 3 Uhr eine Gefechtspause eintrat, tobte der Kampf um Hougoumont fort. Die Fußbatterie Cleeves auf ihrem beherrschenden Hügel hatte jetzt gerade Gelegenheit, eine für die in hartem Kampf stehende Division Jérôme in Kolonnen heranrückende Verstärkung vom Korps Reille, sobald sie in die Schußlinie der deutschen Batterie kam, mit je 3 Kugelschüssen pro Geschütz zu fassen und zum Umkehren zu zwingen. Die Legionsbrigade du Plat rückte etwas näher an Hougoumont heran.

Gegen ½ 4 Uhr begann der zweite Hauptangriff, wiederum eingeleitet durch eine Kanonade, deren Heftigkeit dieses Mal alles bisher bekannte überbot. Napoleon hatte nunmehr eine Nachricht von Grouchy in Händen, wonach ein rechtzeitiges Herankommen desselben zur Schlacht mindestens zweifelhaft erschien. Ney sollte jetzt unbedingt la Haye Sainte nehmen; der Pachthof sollte sodann als Stützpunkt für eine gemeinsame Vorwärtsbewegung der gesamten Armee dienen.

Wiederum zog Wellington seine Infanterie hinter den deckenden Hang zurück, hatte aber vorsichtiger Weise die hannoversche Brigade Vincke und die britische Reservebrigade Lambert näher nach seiner bedrohten Mitte gezogen. Auf den Höhen erblickten die Franzosen nur die britischen und deutschen Artilleristen, "welche trotz der Heftigkeit des Feuers ihrer Gegner mit wunderbarer Ruhe und Kühnheit sowie seltener Präzision ihre Geschütze bedienten."

In 2 Kolonnen drang die Brigade Quiot aufs Neue gegen den Pachthof la Haye Sainte vor, wurde aber von einem solchen verheerenden Feuer aus den Schießscharten und von den Mauern empfangen, daß sie in Auflösung nach dem Obstgarten zurückwichen. Erneut drangen die Franzosen in dichten Haufen heran, suchten den Verteidigern durch die Schießscharten hindurch die Gewehre zu entreißen und stürmten gegen den westlichen Scheuneneingang los, wo die Türe fehlte und die deutschen Schützen mit gefälltem Bajonett den Zugang verteidigten. Nach kurzer Zeit lagen 17 Franzosen erstochen vor dem Scheunentor, und immer aufs Neue wurde der Versuch gewagt.

Während dieses Kampfes, wo der Schießbedarf der Verteidiger im Pachthof bereits knapp zu werden anfing, hatte Ney die Division Donzelot östlich der großen Straße in Schützenschwärmen gegen die Engländer vorgehen lassen. Obwohl dieser Angriff nicht gelang, schloß Ney doch aus der großen Zahl von Verwundeten und Gefangenen, die hinter die englische Linie zurückgebracht wurden, daß eine rückgängige Bewegung dort im Gange sei. Er hielt den Moment für das Einsetzen der Kavallerie für gegeben und erzwang das Vorgehen der Division Milhaud, dem sich die Gardekavallerie des Generals Lefebvre-Desnoëttes anschloß. Ob Napoleon von dem Vorgehen dieser Reiterei zu diesem Zeitpunkt gewußt hat, ist ungewiß, jedenfalls hat er es später als unzeitig und zu früh getadelt.

Bei den Verbündeten war von Rückzug keine Rede. Man wunderte sich nur, "daß man einen Kavallerie-Angriff gegen noch unerschütterte Infanterie unternahm, die hinter Geländefalten vollständig gedeckt stand und vom Geschützfeuer noch wenig gelitten hatte." Wellington hatte die Braunschweiger als Unterstützung für Maitland, die Brigaden Mitchell und Adam nordöstlich Hougoumont aufgestellt. General Carl v. Alten, der von seinem beherrschenden Standpunkt in der Nähe der Fußbatterie Cleeves die Entwicklung der französischen Attacke zuerst bemerkte, stellte seine sämtlichen Infanteriebataillone, auch die der Brigade Ompteda, in Karreeform schachbrettförmig in 2 Treffen zwischen der großen Straße von Nivelles und Belle Alliance auf. Die Kanoniere der Batterien waren angewiesen, so lange wie möglich zu feuern, dann aber die Geschütze stehen zu lassen und unter Mitnahme des Ladezeuges in den Karrees der Infanterie Schutz zu suchen.

Mit todesverachtendem Schneid ritten Milhauds und Lefebvres Geschwader - zusammen gegen 5.000 Reiter - westlich an la Haye Sainte vorbei in dem schweren lehmigen Boden bergauf gegen die Karrees an. Die rechts reitenden Schwadronen erlitten hierbei schon Verluste durch das Schnellfeuer Barings vom Pachthofe, die Lücken schlossen sich und der Ritt ging weiter. 40 Schritt vor den feindlichen Batterien erhielten sie noch eine volle Salve; die von den Batterien Cleeves und Lloyd abgegebene riß die Hälfte der an der Spitz reitenden Eskadrons fort, trotzdem ging es weiter.

"Wie Welle auf Welle folgten sich die Eskadrons. Die gesamte Kavallerie überschwemmte das Plateau. Kürassiere, Chasseurs, rote Lanciers umkreisten die Karrees, griffen sie auf allen 4 Seiten an, stürzten sich auf die Ecken, schlugen die Bajonette mit den Säbeln zurück, stachen mit ihren Lanzen auf den Feind ein, feuerten ihre Pistolen aus nächster Nähe ab und drangen im Handgemenge an einzelnen Stellen ein, jedoch ohne jeglichen Erfolg, da sich diese Öffnungen sofort wieder schlossen."

Das 5. Linienbataillon der Legion, in dessen Karree sich Oberst v. Ompteda befand, wurde nicht weniger als 5 Mal attackiert, behauptete aber seinen Platz.

Diesen Moment ersah Lord Uxbridge für einen Gegenstoß seiner noch unverbrauchten Kavallerie. In wuchtigem Anprall führte er alle Regimenter, die er zusammenraffen konnte, etwa 5.000 Pferde, gegen die bereits ermatteten Franzosen. Hierbei kam das 1. leichte Dragoner- und das 3. Husaren-Regiment der Legion bei Waterloo zum ersten Mal ins Feuer. Die 2. Dragoner waren auf Befehl des Lord Uxbridge zur Beobachtung feindlicher Kavallerie unter ihrem Oberst v. Joncquières gegen 4 Uhr nach Braine l’Alleud entsendet worden.

Die Franzosen wurden geworfen und bis in das Tal verfolgt, nicht ohne daß einzelne Regimenter und Schwadronen bei der erste sich bietenden Gelegenheit wieder Front gemacht hätten.

Die Kavallerie-Brigade Dörnberg bestand nach Entsendung der 2. deutschen Dragoner nach Braine l’Alleud nur noch aus dem 1. deutschen und dem 23. englischen Dragoner-Regiment. Da es an Raum für eine Entwicklung in Linie gebrach, so erfolgte die erste Attacke in abgeschwenkten Schwadronskolonnen. Der Stoß traf auf französische Lanciers, die geworfen und in das Tal hinuntergejagt wurden. Bei der Verfolgung kamen die Reiter weit auseinander und befanden sich zum Teil mitten unter den französischen Lanciers. Es gelang aber dem General v. Dörnberg, der ein feindliches Kürassier-Regiment zur Aufnahme herantraben sah, noch rechtzeitig, das Signal zum Sammeln zu geben und auch dieses Regiment zu werfen. Nach kurzer Verfolgung ließ Dörnberg kehrt schwenken und nahm seine alte Aufstellung hinter der Artillerie wieder ein.

Die 3. deutschen Husaren kamen gleichzeitig ins Gefecht. Wir hatten schon erwähnt, daß General Fr. v. Arentsschild sein 13. leichtes Dragoner-Regiment an die Brigade Grant hatte abgeben müssen. Er verfügte somit über nur 7 Trupps. von denen er für sich 4 behielt und 3 dem Rittmeister v. Kerssenbruch als dem ältesten anwesenden Offizier vom 3. Husaren-Regiment übertrug. (3 Kompanien unter Major Krauchenberg waren in der Vorposten-Aufstellung in Peruwelz zurückgeblieben.) Oberstleutnant Meyer, der Kommandeur des Regiments, war gleich zu Beginn der Schlacht durch eine Kanonenkugel, die ihm das Bein zerschmetterte, tödlich verwundet worden. (Er starb am 6. Juli zu Brüssel.)

Zuerst ritt Kerssenbruch an, warf 2 noch leidlich geschlossene Kürassierschwadronen zurück und drängte sie den Abhang hinunter. Ebenso erfolgreich war Arentsschild mit der größeren Hälfte des Regiments gegen den linken Flügel eines Kürassier-Regiments, als plötzlich von rechts Chasseurs in den Kampf eingriffen und die deutschen Husaren in Flanke und Rücken anfielen.

"Ein wütendes Handgemenge entsteht; mit Aufbietung aller Kraft versuchen die Husaren, sich aus der Umklammerung zu befreien. Die beiderseitige Erbitterung läßt keinen Pardon zu. Es schien, als wenn der jahrelang zurückgehaltene Groll der Hannoveraner gegen die Räuber ihrer nationalen Ehre in diesem Kampfe zum Ausbruch käme. Säbel und Pistole wüteten gleichermaßen. Die Husaren schlugen auf die Kürassiere wie die Schmiede mit ihren Hämmern auf das zu bearbeitende Eisen, kreuzten ihre Säbel mit denen der Chasseurs und versuchten durch wuchtige Hiebe den Pferden ihrer Gegner die Zaumzeuge vom Kopfe zu trennen, um die Reiter wehrlos zu machen. Keiner wollte unterliegen. Endliche neigte sich die Wage des Sieges wie auf den anderen Punkten des Schlachtfeldes so auch hier auf die Seite der deutschen Reiter. Die Franzosen glitten den Abhang hinab und sammelten sich im Grunde."

Neys erster großer Kavallerieangriff war abgeschlagen. Auf den Höhen sammelten sich die Verteidiger, die Batterien wurden wieder besetzt, im Talgrunde bereitete Ney eine zweite Attacke vor. Napoleon erkannte die Notwendigkeit, die zu früh und ohne ausreichende Artillerievorbereitung unternommene Angriffsbewegung durch frische Kräfte zu unterstützen und befahl das Vorgehen der Reitermassen Kellermanns. Auch der schweren Garde-Kavallerie Guyot wurde durch den General Flahaut, einen Adjutanten des Kaisers, der Befehl zum Angriff überbracht. Ehe diese Unterstützungen aber die Talsohle erreichen, ist Neys zweite Kavallerieattacke bereits mit großen Verlusten gescheitert.

Der dritte Akt des gewaltigen Dramas beginnt. In eng geschlossenen Massen sammeln sich im Talgrunde vor der feindlichen Stellung gegen 60 Schwadronen. Der ganze Raum zwischen Hougoumont und la Haye Sainte funkelt von Helmen, Säbeln, Lanzen und Kürassen. Kaum haben die Schwadronen den nötigen Platz zur Entwicklung, sie hindern sich gegenseitig, Reiter und Pferde werden durch die Engigkeit in die Höhen gehoben. Ney besteigt vor der Front dieses Reitermeeres das vierte Pferd, drei sind ihm schon unter dem Leibe erschossen.

Ein Kampf von beispielloser Heftigkeit entspinnt sich um die englisch-deutschen Karrees, zu deren Unterstützung jetzt von Merbe Braine allmählich die Reserven der Division Clinton, von Braine l’Alleud die niederländische Division Chassé heranrückt, letztere vom Feinde fast unbemerkt, da die bei Braine l’Alleud noch verbleibenden 2. deutschen Dragoner den Abmarsch geschickt deckten.

In dem wilden Gewoge des dritten Hauptaktes, wobei die Reiterattacken wie Welle auf Welle über das Plateau dahinrollen, lassen sich einzelne Gefechtsmomente nicht mehr unterscheiden, es war ein allgemeiner Kampf auf der ganzen Linie von Hougoumont bis östlich der Brüsseler Straße. Für uns kommen hierbei (von West nach Ost) das Eingreifen der Legionsbrigade du Plat, die Attacken der deutschen Dragoner und Husaren, die Kämpfe der Legionsbataillone Omptedas, letztere im Zusammenhange mit den Kämpfen um la Haye Sainte in Betracht, wo durch Barings Helden seit ½ 4 Uhr gegen Teile der Divisionen Allix und Donzelot mit wechselndem Erfolge gerungen wird.

Die Legionsbrigade du Plat hatte während des ersten Teils des Kampfes zunächst unbeschäftigt südlich Merbe braine in Reserve gestanden und war dann etwas näher an Hougoumont herangerückt. Gegen 4 Uhr etwa erhielt Lord Hill, der Held von Arroyo Molinos, dem die Brigade du Plat mit unterstand, vom Herzog von Wellington den Befehl, frische Kräfte bei Hougoumont zu entwickeln.

In Bataillonskolonnen überschritten die Linienbataillone - Reihenfolge 2., 4., 3., 1. Bataillon - die Straße von Nivelles auf Brüssel und erreichten die Gegend, wo die Batterien Kuhlmann und Sandham standen, als gerade Neys erste und bald darauf die zweite Kavallerie-Attacke heranbrauste. Das 2. Linienbataillon eröffnete sofort ein lebhaftes Feuer gegen die französischen Reiter, zwang diese zum Ausbrechen nach Osten und blieb im Vorgehen gegen die Hecke des großen Obstgartens von Hougoumont. Auf diese Weise gewährte es gerade zur rechten Zeit verschiedenen Artilleristen Schutz, welche angesichts der drohenden Attacke beim Verlassen ihrer Geschütze die weiter rückwärts stehenden Karrees ihrer Division nicht mehr erreichen konnten.

Das 2. Linienbataillon blieb nunmehr im weiteren Vorgehen gegen die Hecke des Obstgartens bei Hougoumont, von wo es mit heftigem Schützenfeuer begrüßt wurde. Es entwickelte sich hier ein stehendes Feuergefecht. Schließlich drangen die Deutschen bis an den Graben vor, der die Gebäude von Hougoumont umschloß. Um den Besitz der Gebäude und des Gartens wogte der Kampf, von beiden Seiten durch immer neue Kräfte genährt, dann noch lange fort, bis gegen ½ 8 Uhr nach dem Scheitern des letzten Angriffs der französischen Garden auch hier der Erfolg sich auf die Seite der Verbündeten neigte.

Der Rest der Linienbrigade du Plat war inzwischen, begleitet von der reitenden Legionsbatterie Sympher, im weiteren Vorschreiten geblieben und plötzlich in die am weitesten westlich attackierenden französischen Reiter geraten, da ja das ganze Zwischengelände von la Haye Sainte bis Hougoumont durch diesen dritten Reiterangriff ausgefüllt wurde. Die vorne befindlichen Bataillone - das 4. und 3. - bildeten sofort Karrees, die Batterie Sympher protzte ab und feuerte einige wirksame Schüsse durch die Zwischenräume der Karrees hindurch. Trotzdem durchjagten französische Kürassiere diese Zwischenräume und attackierten die Batterie, deren Bedienungsmannschaften entweder in den Karrees oder unter ihren Geschützen und Fahrzeugen Deckung suchten.

Das starke Feuer aus den Karrees ließ die französische Attacke scheitern. Jetzt aber geriet die Brigade du Plat bei ihrem Weitermarsch nach Hougoumont in ein sehr heftiges Schützenfeuer aus der Osthecke des dortigen Gartens. In kürzester Frist waren sämtlichen berittenen Offizieren die Pferde unter dem Leibe erschossen, Oberstleutnant du Plat fiel, ebenso sein Brigade-Major, der Kapitän Wiegmann vom 2. leichten Bataillon, und mehrere andere Offiziere. Oberstleutnant v. Wissel vom 3. Linienbataillon übernahm das Kommando. Plötzlich erlosch das Feuer und aufs Neue jagten feindliche Kürassiere heran, deren Angriff aber wiederum abgeschlagen wurde. Zur Abwehr desselben schlossen sich das 1. und 3. Linienbataillon zu einem gemeinsamen Karree zusammen, das 4. stand - ebenfalls in Karreeformation - schon etwas weiter vorwärts, näher der Nordostecke des Gartens von Hougoumont. Bei der Abwehr dieses Angriffs traten größere Verluste nicht ein, die Brigade Dörnberg und braunschweigische Husaren jagten die ermüdeten französischen Reiter wieder in den Talgrund hinab. Diese Kämpfe spielten sich in der Zeit ab, wo Ney nach Scheitern seiner 4. Attacke die noch frische Infanterie des Korps Reille in den Kampf führte, also etwas vor 6 Uhr.

Die Brigade du Plat beteiligte sich dann an den Kämpfen um den Besitz von Hougoumont, bis gegen ½ 8 Uhr die entscheidende Wendung eintrat und alles auf Belle Alliance vorging. Sympher behauptete seine Stellung etwas rückwärts der ersten Aufstellung der Batterie Kuhlmann; sein Eintreffen gewährte den anderen Batterien die Möglichkeit, nach und nach ihren Munitionsvorrat aus dem großen Artilleriepark bei Mont St. Jean zu ergänzen. Die 2. reitende Batterie Kuhlmann war ebenso wie die anderen Batterien südlich des Hohlweges zu dieser Zeit genötigt gewesen, angesichts der übermächtigen Kavallerieangriffe einen Stellungswechsel nach rückwärts vorzunehmen. Die Batterie Sandham mußte der deutschen Batterie Kuhlmann mit Munition aushelfen.

Gegen Neys dritte und vierte große Reiterattacke waren auch die deutschen 1. Dragoner und 3. Husaren zu wiederholter Verwendung gekommen.

Das 1. Dragoner-Regiment hatte kaum seinen ursprünglichen Platz wieder eingenommen, als es durch General v. Dörnberg von neuem zur Attacke vorgeführt wurde. Der Angriff wendete sich gegen französische Reiter, die in ohnmächtiger Wut die Infanteriekarrees zu zersprengen suchten. Die deutschen Dragoner warfen sich mit Ungestüm auf dieselben, doch konnten sie mit ihren kurzen englischen Säbeln gegen die längeren Pallasche der Franzosen nichts ausrichten. Für den Nahkampf war somit die erst vor wenig Wochen empfangene Ausrüstung der leichten Dragoner der in Spanien bewährten durchaus nicht ebenbürtig.

Endlich siegte die größere Kraft und Frische der deutschen Reiter, und die Franzosen wendeten sich zur Flucht. Bei der Verfolgung wurde General v. Dörnberg schwer verwundet und nur durch die aufopfernde Geistesgegenwart einiger Dragoner vor der Gefangenschaft bewahrt. Rittmeister Peters, die Leutnants v. Levetzow und Kuhlmann fielen. (v. Reitzenstein erzählt hierbei folgende Episode: "Später erhielt das 1. Dragoner-Regiment der Legion den Auftrag, die Batterie (Kuhlmann) gegen die heftigen Angriffe der feindlichen Kavallerie zu schützen. Bald darauf ritt der Chef des Regiments, Generalmajor v. Dörnberg, mit seinem Stabe die von der Batterie besetzte Anhöhe hinauf, um den Feind zu beobachten. Während Dörnberg den Batteriechef, Major Kuhlmann, im Feuer begrüßte, kam auch dessen Sohn, der Dragonerleutnant Kuhlmann, welcher als Ordonnanzoffizier zum General kommandiert war, herangeritten. In demselben Momente traf den jungen Offizier eine feindliche Kugel und tötete ihn vor den Augen seines beklagenswerten Vaters. Zwei Kanoniere trugen den entseelten Körper zurück; der Vater aber kommandierte mit Tränen im Auge das Feuer seiner Batterie ruhig weiter.") Der Kommandeur des Regiments, Oberstleutnant v. Bülow wurde schwer verwundet, Major v. Reitzenstein übernahm die Führung. Die Verluste an Mannschaften waren bereits jetzt so bedeutend, daß Reitzenstein sich genötigt sah, das Regiment anders zu formieren.

Kaum war das geschehen, als schon wieder eine neue Attacke zurückzuschlagen war. Hastig verfolgte das Regiment die feindlichen Schwadronen in das Tal hinab und man bemerkte nicht, daß eine Schwadron Chasseurs sich in gefahrdrohender Weise gegen Flanke und Rücken der Verfolger wendete. Gerade noch zur rechten Zeit erkannte Major v. Reitzenstein die Gefahr und rief, seine mächtige Gestalt im Sattel hoch aufrichtend: "Leute links, Leute links." So vermochte er, an der Spitze einiger Dragoner unter Rittmeister G.H. v. Hattorf in einer Schwarmattacke die Chasseurs zurückzuwerfen und ihren Führer vom Pferde zu hauen. Reitzenstein, dem hierbei das Pferd unter dem Leibe erschossen wurde, bestieg ein anderes Pferd, sammelte das Regiment hinter der Höhe und formierte es nun zu 2 Schwadronen. Es mußte dann noch 2 Mal attackieren, wobei neben anderen Offizieren auch Major v. Reitzenstein schwer verwundet wurde. Das Regiment bestand darauf nur noch aus einer schwachen Schwadron. Alle diese Angriffe spielten sich in der Nähe der reitenden Batterie Kuhlmann ab. Das 2. leichte Dragoner-Regiment befand sich immer noch zur Sicherung der rechten Flanke der Armee bei Braine l’Alleud.

Die 3. Husaren hatten wir in dem Augenblick verlassen, als sie oben auf der Höhe sammelten und unter im Talgrunde Kellermann und Guyot zum Todesritte eintrafen. Die Verluste des Regiments waren außerordentliche gewesen. Rittmeister Janssen, der tapfere Reiter von Kjöge, war gefallen, ebenso der schon bei Benavente und im Gefecht an der Göhrde rühmlichst hervorgetretene Adjutant Brüggemann und der Kornet W. Deichmann. Die Zahl der verwundeten Offiziere, Mannschaften und Pferde war so groß, daß sich beim Sammeln nur etwa 60 Rotten zusammenfanden.

Die Legionsbrigade Ompteda hatte gleich den übrigen Infanterie-Bataillonen, auf Befehl des Generals v. Alten in Karreeformation, Neys erste und zweite Attacke erfolgreich abgeschlagen, als man vom Standpunkt des Prinzen von Oranien (in der Nähe der Batterie Cleeves) eine starke feindliche Infanteriekolonne an der Westseite des Pachthofes la Haye Sainte gegen den Gemüsegarten vordringen sah, offenbar der Absicht, durch Besitznahme desselben den vorgeschobenen Posten völlig von der Hauptstellung abzuschneiden. Der Prinz hielt die Gelegenheit zu einem erfolgreichen Angriff gegen diese Kolonnen für gekommen und befahl dem Oberst v. Ompteda, sein 5. und 5. Linienbataillon gegen dieselben zu entwickeln. Das 1. leichte Bataillon verblieb in seiner Stellung nahe des Hohlweges.

In schnellstem Laufschritt stürzten beide Bataillone in Linie über den Hohlweg auf die französische Infanterie los, das 8. Linienbataillon etwas vor dem 5. Der angegriffene Gegner zog sich schleunigst zurück, die Deutschen verfolgten ihn über das Feld.

So bemerkte man nicht, daß französische Garde-Chasseurs nach erfolglosem Angriff auf die Karrees der Brigade Kielmannsegge von der Höhe herunter geradezu auf la Haye Sainte los jagten. Das 5. Linienbataillon hatte noch Zeit, Karree zu bilden, das 8. aber wurde vollständig überrascht und fast ganz vernichtet. Sein Kommandeur, Oberstleutnant v. Schröder, die Kapitäns v. Voigt und v. Westernhagen, Leutnant v. Marenholz und 30 Mann fielen auf der Stelle. Kapitän Rougemont, die Leutnants Sattler und Brinckmann nebst 60 Mann wurden verwundet, ebenso der Fähnrich v. Moreau, welcher die Königs-Fahne trug. Ein gleiches Schicksal widerfuhr auch dem Sergeanten, welcher ihm beim Sinken die Fahne abnahm. Der Kapitän Klein v. Kleinenberg von den französischen Gardechasseurs entriß ihm das Kleinod; einen Moment später war auch er eine Leiche. Doch blieb die Fahne im Besitz der Franzosen. Beim Rückzug derselben scheint sie verloren gegangen zu sein, denn wenige Tage nach der Schlacht wurde sie dem Bataillon durch einen hannoverschen Reiter wieder zugestellt.

In der größten Verwirrung flutete das 8. Bataillon hinter den Hohlweg zurück, hier durch Major v. Petersdorff notdürftig gesammelt. Es war "derartig zugerichtet, daß es nicht wieder vorgebracht werden durfte, sondern den Tag über im Karree stehen blieb. (Die Zeitbestimmung für den geschilderten Angriff macht große Schwierigkeiten. Bei Beamish und Sichart wird der Angriff in den Anfang der Schlacht verlegt, was ganz unzutreffend ist. Ähnlich ist die Darstellung bei Ompteda, der sich hauptsächlich auf Beamish stützt. Siborne verlegt den Kampf in die Zeit nach Neys 3. Reiterattacke, was nach Vergleich mit Houssayes Angaben und nach der ganzen Situation als zutreffend angesehen werden muß.) Im Verbande der Division Alten mußten sich dann die Karrees noch des 4. Angriffs der französischen Reiterei erwehren, bis endlich gegen 6 Uhr das Plateau gänzlich von den Feinden geräumt wurde.