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Tod des "schwarzen Herzogs"
Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels

Der wichtige Straßenknoten bei Quatrebras war am 15. Juni durch den Prinzen von Weimar mit nassauischen Truppen selbständig besetzt worden, nachdem dieser in Genappe den Übergang der Franzosen über die Sambre erfahren hatte. Hierdurch deckte er die große Straße von Charleroi auf Brüssel und verwehrte dem an diesem Tage gegen seine sonstige Gewohnheit behutsam vorgehenden Marschall Ney die Besetzung von Quatrebras. Die niederländische Division Perponcher rückte zur Unterstützung der schwachen nassauischen Truppen nach und verließ in lobenswerter Selbständigkeit des Entschlusses diesen wichtigen Posten nicht wieder, obwohl vom Prinzen von Oranien aus Brüssel gemäß Wellingtons Versammlungsbefehl vom 15. Juni Abends die Weisung einging, die ganze Division bei Nivelles zu versammeln.

Wir haben bereits in dem kurzen Überblick gesehen, daß der Vormarsch der Franzosen am 16. Juni zur Niederlage der Preußen bei Ligny führte, daß Ney aber bei seinem Angriff gegen Quatrebras über Frasnes nicht hinauskam. Beide Schlachten nahmen die an ihnen beteiligten Kräfte vollauf in Anspruch, so daß von einer gegenseitigen Unterstützung der angegriffenen Heere keine Rede sein konnte.

Wir haben uns hier mit der Schlacht bei Quatrebras nur so weit zu befassen, als zum Verständnis des Anteils zweier Legionsbatterien an derselben erforderlich ist.

Als am 16. Juni nach 2 Uhr Nachmittags Ney den Kampf südlich Quatrebras begann, war er zunächst den Niederländern der Division Perponcher erheblich überlegen. Es gelang ihm daher ohne Mühe, die jungen Truppen durch die Division Bacheln aus ihren ersten Stellungen zwischen Pierrepont und Piraumont herauszuwerfen und bis zur Ferme Gemioncourt vorzukommen.

Im Laufe des Nachmittags verschob sich das Kräfteverhältnis immer mehr zu Gunsten der Verbündeten, indem nach und nach britisch-deutsche Truppenteile nach zum Teil sehr ansehnlichen Marschleistungen von Nivelles bzw. von Brüssel her über Genappe eintrafen und sofort in das Gefecht eingriffen. Tropfenweise eingesetzt vermochten sie aber nur unter großen Verlusten die große Straße Nivelles - Namur bei und östlich Quatrebras gegen die verzweifelten Anstürme der besonders an Kavallerie, anfangs auch an Geschützen, sehr überlegenen französischen Armee zu behaupten.

Die gegen ½ 4 Uhr eingetroffenen vortrefflichen, von der spanischen Halbinsel berühmten, Brigaden Pack und Kempt und die hannoverschen Bataillone unter Best warfen zwar die Franzosen bis hinter Gemioncourt zurück, erkauften diesen Erfolg aber gegenüber den todesmutigen Attacken der feindlichen Lanzenreiter mit erheblichen Verlusten.

Als gegen 4¼ Uhr die Division Jérôme den Wald von Bossu angreift, wird die Sachlage für den jetzt bei Quatrebras eingetroffenen Herzog von Wellington sehr bedenklich, und die inzwischen eingesetzten Braunschweiger müssen nach vorübergehenden geringen Erfolgen die Ostseite des Waldes von Bossu räumen. Ihr tapferer Herzog, dieser kühne Vorkämpfer deutscher Befreiung, fällt beim Versuch, seine zurückweichende Infanterie zu sammeln und wieder vorzubringen.

Als die Gefahr auf das Höchste gestiegen war und Wellington bereits mit dem Verlust von Quatrebras und der daraus sich ergebenden Abdrängung von dem bei Ligny ringenden Blücher rechnen mußte, erschienen die Brigaden Halkett und Kielmannsegge, an ihrer Spitze die Legionsbatterie Cleeves.

Früh um 3 Uhr waren sie von Soignies aufgebrochen, hatten gegen Mittag Nivelles erreicht, dort abgekocht, waren dann aber auf den Befehl des Generals v. Alten in der Richtung auf den nach 3 Uhr ertönenden Kanonendonner weitermarschiert. Erst mit ihrem Eintreffen glich sich das Stärkeverhältnis der ringenden Parteien aus.

Die zur Division Alten gehörende Legionsbrigade Ompteda war - von ihren Quartieren bei Ecaussines am 16. früh aufgebrochen - über Braine le Comte und Nivelles schon gegen Mittag bei Quatrebras eingetroffen, hatte hier zu dieser Zeit noch keine geschlossenen Truppenteile, sondern nur holländische Generalstabsoffiziere und Kavalleriepatrouillen vorgefunden und alsbald Befehl zum Rückmarsch nach Nivelles erhalten, um die von dort auf Brüssel führende Straße zu decken.

Auf dem Rückmarsche nach Nivelles begegnete die Brigade Ompteda Schotten und Braunschweigern, die zur Besetzung der Stellung von Quatrebras marschierten. Bei Nivelles blieb Ompteda sodann als 1. Treffen vor einer dort stehenden niederländischen Division bis zum Abend, erhielt dann Marschordre auf Quatrebras und traf um 10 Uhr Abends dort wieder ein. Die Truppen waren 17 Stunden marschiert und sehr erschöpft, ohne zur Entscheidung bei Quatrebras auch nur das Geringste beigetragen zu haben.

Doch zurück zum Verlauf der Schlacht, die durch das Eintreffen der Brigaden Halkett und Kielmannsegge mit der Legionsbatterie Cleeves soeben einen für Wellington günstigeren Verlauf zu nehmen begann.

Sowie die Truppen ankamen, wurden die Brigaden Kielmannsegge längs der Straße nach Namur gegen Piraumont, Halkett gegen Gemioncourt eingesetzt; die Batterie Cleeves fuhr zunächst hart an der Straße am Nordrande des Waldes von Bossu auf. Sie feuerte anfangs im Bogenschuß über den Wald weg gegen feindliche Kavallerie bei Gemioncourt, nahm dann einen Stellungswechsel näher nach Quatrebras vor und beschoß dort, östlich des Gehöftes, im Verein mit der westlich desselben stehenden englischen Batterie Lloyd fast dauernd die französischen Reiter des Grafen Valmy (Kellermann), die sich zu dieser Zeit in todesmutigen Attacken gegen die Stellung bei Quatrebras erschöpften.

Bald nach 6 Uhr trat eine erneute Krisis des Kampfes ein. Marschall Ney, durch mehrfache Aufforderungen des Kaisers unter Hinweis auf das Wohl Frankreichs zu den äußersten Wagnissen angestachelt, dazu in der größten Besorgnis, durch den Ausfall des ihm ohne sein Vorwissen entzogenen Korps Erlon die Früchte des ganzen Tages zu verlieren, hatte Kellermann zu einer neuen Attacke veranlaßt. Gerade als die Attacke sich nach Durchbrechung einiger Infanteriebataillone der Brigade Halkett auf und längs der Straße von Charleroi gegen Quatrebras heranwälzte, traf - der Spitze der britischen Garden vorauseilend - Major Kuhlmann mit der 2. reitenden Legionsbatterie in schnellster Gangart am Schnittpunkt der beiden Straßen ein.

Kuhlmann hatte am 15. Abends in seinem Quartier zu Ghislinghien (zwischen Ath und Enghien) vom General Cooke (1. Division) den Befehl zum Ausrücken erhalten, war um 1 Uhr Morgens abmarschiert und hinter Enghien mit der englischen Garde und einer englischen Fußbatterie, sämtlich unter Befehl des Generalmajors Cooke, zusammengetroffen. Oberstleutnant Adye übernahm hier das Kommando der beiden Batterien, was jedoch nicht hinderte, daß die reitende Batterie, den anderen Truppen vorauf, auf das Schlachtfeld zutrabte.

Der drohenden Gefahr gegenüber protzten 2 Geschütze unter Kommando des Leutnants Speckmann sofort unmittelbar am Schnittpunkt der beiden Straßen bei Quatrebras auf der Straße selbst, die anderen 4 Geschütze weiter östlich ab. Links von ihnen hielt das Bataillon Lüneburg der Brigade Best die nach Namur führende Chaussee besetzt. In der rechten Flanke waren die Geschütze durch Gartenanlagen und Nebengehöfte gedeckt.

Jetzt brauste Valmys Reiterattakce heran, von einem verheerenden Feuer der an der Chaussee liegenden Bataillone und der soeben aufgefahrenen Batterie begrüßt.

Die Kürassiere, mit ihren Rüstungen in der Sonne glitzernd, jagten mitten durch die Kugeln und den Rauch wie der Blitz durch das Gewölk, der Boden bedeckte sich mit Toten und Verwundeten, Kellermann selbst wurde das Pferd unter dem Leibe erschossen. Der Angriff scheiterte an der verheerenden Gewalt des Feuers. Die Batterie Kuhlmann hatte ein Erhebliches hierzu beigetragen.

Als sich mit dem Eintreffen der englischen Garden und der Fußbatterie Sandham die Sachlage noch mehr zu Gunsten Wellingtons verschob, Ney auch Kenntnis erhalten hatte, daß er auf sein Korps Erlon nicht mehr rechnen könne und daß Napoleon den Kampf bei Quatrebras jetzt als mehr nebensächlich ansehe, gingen die Franzosen gedrängt allmählich bis auf Frasnes zurück. Die deutschen Batterien unternahmen noch einen Stellungswechsel nach vorwärts, die Batterie Kuhlmann beschoß bis zum Dunkelwerden die feindliche Artillerie.

Die Festhaltung von Quatrebras war teuer erkauft, die Erschöpfung der Truppen auf beiden Seiten ganz ungeheuer, so daß von einer Verfolgung keine Rede war. Die deutsche Legionsartillerie hatte die Verwundung der Leutnants v. Goeben und Hartmann und einen Gesamtverlust von 14 Mann zu beklagen.

War es auch Ney nicht gelungen, sich bei Quatrebras als trennender Keil zwischen Wellingtons und Blüchers Armeen hineinzuschieben, so darf doch nicht übersehen werden, daß bei einer rechtzeitigeren Versammlung der Wellingtonschen Truppen der Erfolg bei Quatrebras mit geringeren Verlusten und, wenn nicht eine völlige Vereinigung der verbündeten Heere, so doch wenigstens eine tatkräftige Unterstützung Blüchers bei Ligny hätte erreicht werden können.

Der Tag von Quatrebras bildete die Feuertaufe für eine Anzahl der jungen hannoverschen Truppen, die sich hier an der Seite der Braunschweiger gut bewährten. Neben ihnen zeichneten sich die deutschen Legionsbatterien hervorragend aus, und zumal der reitenden Batterie Kuhlmann wird in der gesamten zeitgenössischen Literatur bei Freund und Feind mit Anerkennung gedacht. Die von der Legion abgegebenen Offiziere bewährten sich überall aufs Beste, die Generale Graf Alten und Colin Halkett wurden von Wellington in seiner Depesche vom 19. Juni besonders namhaft gemacht. Bei der hannoverschen Brigade Best hatte sich Kapitän v. Heimburg als Brigademajor hervorgetan; Fähnrich Best vom 1. leichten Bataillon, zum Landwehrbataillon Verden befehligt, wurde bei Quatrebras schwer verwundet.

Während der Nacht trafen nach und nach Wellingtons Truppen von Brüssel her bei Quatrebras, die von Westen und Nordwesten kommenden bei Nivelles ein, unter den ersten die Kavalleriebrigade Dörnberg mit den beiden leichten Dragoner-Regimentern der Legion. Diese waren von Vilvorde am 16. kurz nach Tagesanbruch abmarschiert und erreichten nach mannigfachen Marschhemmungen das Schlachtfeld bei Quatrebras über Nivelles bald nach Einbruch der Dunkelheit.

"Einen schönen Anblick gewährten an jenem Abend die Wachtfeuer beider Armeen. Es herrschte im allgemeinen eine feierliche Stille, die nur ab und an durch ein Who comes there? oder Qui vive? sowie durch das entfernte Murmeln und das dumpfe Geräusch neu eintreffender Truppen unterbrochen wurde.

Am 17. morgens 2 Uhr traten sämtliche Truppen unters Gewehr. Mit Anbruch des Tages fingen die Tirailleurs von beiden Seiten an zu feuern, ohne sich jedoch zu bewegen. Bald hörte das Feuer auf. Uns gegenüber vernahmen wir oft das Vive l’Empereur! vermutlich von neu ankommenden Truppen."