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Sir Arthur Wellesley, Herzog von Wellington

Der Herzog hatte seine Armee so aufgestellt, daß sie den weiten Raum längs der französischen Grenze vom Meere bis Charleroi deckte und hier den Anschluß an Blüchers Truppen fand. Besonders gefährdet waren ihm die Anmarschstraßen von Tournay und Lille auf Gent, wo König Ludwig XVIII. weilte, und von Tournay und Mons auf Hal erschienen, da man von dort aus Brüssel zu bedrohen vermochte. Er hatte aus diesem Grunde bis Mitte Juni sein Hauptquartier in Brüssel, das Reservekorps in und um Brüssel bis Hal und Vilvorde, Dörnbergs Regimenter bei Mecheln, Uxbridges Kavallerie von Ninove bis Grammont an der Dender, die Husaren-Brigade Vivian - darunter das 1. Husaren-Regiment der Legion - zum Vorpostendienst bei Tournay. Das I. Korps stand südlich Brüssel bei Nivelles, Enghien, Soignies und Roeulx; der Prinz von Oranien hatte sein Hauptquartier in Braine le Comte, die niederländische Reiterdivision Collaert versah den Vorpostendienst gegen Mons und Binche. Hill hatte das Hauptquartier seines II. Korps in Ath, seine Divisionen bei Ath, Renaix, Audenarde. Estorffs hannoversche Husaren versahen den Vorpostendienst zwischen Mons und Tournay.

Aus dieser weit ausgedehnten Stellung hoffte Wellington, bei feindlichem Anmarsch zwei Drittel seiner Truppen binnen 22 Stunden bei Ath, Soignies oder Nivelles versammeln zu können, was indes viel zu günstig gerechnet war.

Die Zeit von der Rückkehr Napoleons bis zum 15. Juni verging den Truppen wie im Fluge. Die Versammlung einer so vielköpfigen Armee in bequemen Quartieren angesichts eines fröhlichen Feldzuges, von dem alle nur Ruhm und Erfolg erwarteten, die stetige Abwechslung in der dienstlichen Tätigkeit, die zahlreichen Übungsmärsche und Gefechtsmanöver in größeren Verbänden, daneben eine reiche Geselligkeit ließen Langeweile nicht aufkommen. Fast täglich kamen Truppentransporte an, die Bestände wurden ergänzt, Fuhrparks und Kolonnen aufgestellt, bei manchen Truppenteilen sogar jetzt noch die gesamte Ausrüstung und Bekleidung umgeändert. So empfingen die leichten Dragoner-Regimenter der Legion ihre Ausstattung als solche erst Ende April in Antwerpen, wohin sie von Mons gerückt waren, und beendeten ihre Mobilmachung alsdann in Mecheln. Eine besondere Rolle für den Aufklärungs- und Kundschaftsdienst längs der französischen Grenze fiel dem General v. Dörnberg zu, der auch nach Abmarsch seiner Regimenter nach Mecheln in Mons verblieb. Seine Meldungen waren die zutreffendsten, die Wellington erhielt.

Die zahlreichen Alarmierungen mit anschließenden Übungsmärschen hatten schließlich Offiziere und Mannschaften so an den Kriegszustand gewöhnt, daß z.B. beim Abmarsch der Brigade Ompteda am 16. Juni viele Offiziere so ausrückten, als gelte es, schon nach wenigen Stunden in die Quartiere zurückzukehren. Die Burschen der Offiziere waren eingeübt, das Gepäck ihrer Herren eine halbe Stunde nach Eingang eines Marschbefehls fertig zu haben.

So kam unter Besichtigungen und Musterungen (Nach einer Musterung des 1. Husaren-Regiments der Legion am 20. April rief Wellington sämtliche Offiziere vor die Front und sagte ihnen: "Meine Herren, ich schätze es mir zur größten Ehre, unter den jetzigen Zeitumständen ein so braves Regiment, wie es das Ihrige ist, wieder unter meinem Kommando zu haben." Am 25. April erging der Befehl, daß das Regiment "als Auszeichnung das Wort Peninsula in seinen Standarten und Equipagestücken" zu führen habe.) der 15. Juni heran, und Wellingtons Armee befand sich noch in ihrer weiten Aufstellung bei und westlich Brüssel, während bei Charleroi schon die Berührung des Feindes mit dem preußischen Korps Ziethen stattfand.

Wellington vermochte an eine ernste Gefahr von dort zunächst nicht zu glauben, sondern war der festen Meinung, daß Napoleon bei Charleroi nur demonstrieren, seinen Hauptschlag aber durch eine Umgehung über Mons und Hal gegen Brüssel führen wolle. Deshalb ließ er auch Hal nicht aus den Augen und ordnete am 15. Abends gegen 7 Uhr zunächst die Versammlung seiner Armee bei Ath, Braine le Comte, Hal und Nivelles an. Ein Nachtragsbefehl an 10 Uhr Abends verschob die Sammelpunkte mehr nach Osten, indem die Truppen auf Enghien, Braine le Comte und Nivelles beordert wurden. Die Bewegungen sollten noch in der Nacht angetreten werden.

Sammelpunkte der Legionstruppen
gemäß Wellingtons Nachtragsbefehl vom 15. Juni 1815, 10 Uhr Abends

Nach Erteilung dieses Befehls besuchte Wellington das berühmt gewordene Ballfest der Herzogin von Richmond in Brüssel, zu dem die meisten in höheren Stellungen befindlichen Generale eingeladen waren. Dort erhielt er die ersten ihn überzeugenden Nachrichten vom Vordringen des Feindes nicht nur gegen Fleurus, sondern auch gegen Quatrebras.

Wir haben die verschiedensten Berichte über den Verlauf des denkwürdigen Ballfestes bei der Herzogin von Richmond, an dem zweifellos unter den 200 geladenen, meist höheren, Offizieren auch mehrere Offiziere der Legion teilgenommen haben. Erst während des Diners erhielt der Herzog von Wellington die entscheidende Meldung, daß Franzosen bereits auf Quatrebras vordrängen. Mit bewundernswerter Gelassenheit nahm der eiserne Herzog die Nachricht auf, traf noch einige abändernde Maßregeln, sprach unauffällig mit den anwesenden Generalen und trug durch seine persönliche Haltung unendlich zur Beschwichtigung der erregten Gemüter bei, so daß der Verlauf des Festes nicht getrübt und viele der jüngeren Offiziere erst durch die schmetternden Alarmsignale zu ihren Truppen gerufen wurden. Viele waren genötigt, im Ballstaat zu ihren Regimentern zu reiten und sich dort erst umzuziehen, da die vorsichtigen Burschen mit dem Gepäck schon abgerückt waren.

Ein eigener dramatischer Reiz liegt auf diesem Fest, wo mitten in die rauschende Festesfreude hinein die Vorahnung der blutigsten Entscheidungen fiel.

Die in und bei Brüssel lagernde Reserve erhielt Befehl, noch in der Nacht aufzubrechen und geradeswegs nach Quatrebras zu marschieren.